Eine Frage, Frau Leiendecker
Geschichte des "heiklen Erbes"

Susanne Leidendecker | Foto: Stadt Offenburg

Die Provenienzforschung ist derzeit in aller Munde, doch was wird dabei untersucht? Im Museum im Ritterhaus in Offenburg erforscht Susanne Leiendecker die Herkunft von Objekten. Im Gespräch mit Christina Großheim erklärt sie, worauf es ankommt.

Warum ist Provenienzforschung wichtig?
Bei der Provenienzforschung wird die Herkunftsgeschichte von Objekten kolonialzeitlicher Sammlungen erforscht. Gerade in der Kolonialzeit fanden viele Gegenstände ihren Weg in Museen, bei denen bis heute nicht klar ist, wie sie erworben wurden. Sie werden auch als "heikles Erbe" bezeichnet. Das bedeutet aber nicht, dass jedes Objekt, das in dieser Zeit in ein Museum gekommen ist, auch unrechtmäßig erworben wurde. Man muss aber herausfinden, welche tatsächlich gewaltsam in Besitz genommen wurden.

Was wird genau dabei untersucht?
Der Weg des Objekts vom Ursprungsort zum Museum. Wer hat das Objekt wo wann und wie erworben. Was hatte die betreffende Person beispielsweise mit dem Herkunftsland zu tun und wie war sie in den Besitz des Gegenstands gekommen. Im Museum im Ritterhaus untersuche ich im Moment die Ozeaniensammlung. Es gibt unterschiedliche Stifter, deren Hintergrund ich beleuchte.

Welche Handlungsoptionen für die Institutionen ergeben sich aus den Ergebnissen der Forschung?
Es gibt internationale Richtlinien, was etwa die Rückgabe von unrechtmäßig erworbenen Stücken angeht. Kaum eine Institution, die beispielsweise menschliche Überreste in ihrem Bestand hat, wird sich weigern, diese der jeweiligen Herkunftsgesellschaft zurückzugeben. Das betrifft auch solche Objekte, die aus einem gewaltsamen Kontext stammen. Aber das ist nicht immer einfach. Nach über 100 Jahren lässt sich die Herkunft oft nicht mehr genau klären, so dass eine Rückgabe nicht möglich ist. Manchmal zeigen Herkunftsländer vor allem bei Alltagsgegenständen nur geringes Interesse, diese zurückzunehmen. Die Erkenntnisse aus der Provenienzforschung werden digitalisiert und veröffentlicht sowie in die Dauerausstellung und das museumspädagogische Programm eingebaut.

Welche Stücke werden im Museum im Ritterhaus unter die Lupe genommen?
Alle aus der kolonialzeitlichen Sammlung. Es gab zum Beispiel einen Kaufmann aus Gengenbach sowie einen Marinearzt aus Offenburg, die dem Museum zahlreiche Objekte aus Neuguinea überließen.

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