Opfer einer Straftat klagt über „skurrile“ Polizeiaktion

Das zuvor zusammengeschlagene Opfer musste den Weg vom Tatort zum Revier zu Fuß zurücklegen, das Polizeiauto fuhr im Schrittempo durch die Fußgängerzone nebenher.  | Foto: Uwe Schlick/pixelio.de
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  • Das zuvor zusammengeschlagene Opfer musste den Weg vom Tatort zum Revier zu Fuß zurücklegen, das Polizeiauto fuhr im Schrittempo durch die Fußgängerzone nebenher.
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Offenburg. Die Straftat hat keine Schlagzeilen gemacht. Konnte sie auch nicht, da die Polizei
keine Pressemeldung verfasste. Die Redaktion erfuhr von dem Vorfall erst
durch einen Anruf des Opfers, erzählt hier die Geschichte und fragte im
Interview nach bei Patrick Bergmann, Pressesprecher beim
Polizeipräsidium Offenburg. 

Der Mann (Name der Redaktion bekannt) wurde in der Nacht zu einem Sonntag im September auf dem Offenburger Lindenplatz zusammengeschlagen. Kopf- und andere
Körpertreffer musste das Opfer einstecken, die Brille ging verloren. Der
Mann mittleren Alters, der von einer Feier nach Hause gehen wollte,
rief die Polizei, die „auch recht zügig“ am Tatort erschien. Vom Täter,
der den Mann bereits 150 Meter zuvor in der Steinstraße verdächtig
angesprochen hatte und auf dem Lindenplatz unvermittelt aggressiv wurde
und zuschlug, keine Spur. Was der Unbekannte wollte, bleibt bisher im
Dunkeln, geraubt wurde nichts. „Ich hatte den Eindruck, dass er unter
Drogen stand“, so das Opfer über den Mann, der gebrochen deutsch mit
osteuropäischem Akzent sprach. Die Polizisten hätten sehr schnell
gefragt, ob er angetrunken sei. Das bestätigte das Opfer, machte ab auch
deutlich, alle seine Sinne beieinander zu haben. 

Anschließend sei es aber „skurril“ weitergegangen, berichtete der Mann
vergangenen Montag im Gespräch mit der Guller-Redaktion. Um Anzeige
gegen Unbekannt auf dem Revier zu erstatten, hätte er die 350 Meter vom
Lindenplatz zum Revier in der Hauptstraße zu Fuß zurücklegen müssen, das
Polizeiauto wäre im Schritttempo durch die Fußgängerzone nebenher
gefahren, erklärte der Mann auch einen Tag später ungläubig und empfand
dies immer noch als Schikane. Ob ein Arzt benötigt werde, sei er von den
Beamten nicht gefragt worden.

Als ihm am Montag am Arbeitsplatz den ganzen Tag über schwindelig und übel war, ging er zum Hausarzt, der ihn umgehend ins Klinikum schickte:
Neben diesen Beeinträchtigungen diagnostizierten die Ärzte eine
Prellung des Jochbeins, eine leichte Gehirnerschütterung und
Verstauchungen am Halswirbel. 

Zu den Vorfällen in der Samstagnacht und den polizeilichen Maßnahmen äußerte sich Patrick Bergmann im Interview: 

Gibt es über alle Straftaten im öffentlichen Raum eine Pressemeldung?
Besondere Vorkommnisse finden in der Regel ihren Niederschlag in einer polizeilichen Pressemeldung.

Warum fand dann dieser Vorfall keine Erwähnung?
Dazu gibt es keine Gründe in der Sache. Weil es Wochenende war und dazu in
der Nacht von Samstag auf Sonntag, kann eine besondere Belastung der
Kollegen im Führungs- und Lagezentrum vorgelegen haben, die diese
Aufgabe an den Wochenenden übernehmen. Es lag sicher nicht daran, dass
der Vorfall „nicht schwer genug“ war. Straftaten wie Körperverletzungen
werden aber sicher nicht dahingehend unterdrückt, dass keine
Pressemeldung erstellt wird.

Was wurde unternommen, um den Gewalttäter noch gleich vor Ort ausfindig zu machen, wurden Zeugen gesucht?
Grundsätzlich entscheiden Kollegen im Einzelfall, das Vorgehen ist nicht
standardisiert. In diesem Fall gab es keine Tatzeugen. Wenn Polizisten
nach einem Fall die Pressestelle informieren, gibt es in entsprechenden
Fällen einen besonderen Vermerk, dass ein Zeugenaufruf gestartet werden
soll.

Werden später noch Anwohner befragt, ob sie etwas bemerkt haben?
Das ist von der Uhrzeit und den Umständen abhängig. Wenn der Fall wie hier
mitten in der Nacht passiert, weil das Opfer von einer Feier kommt, ist
das in der Regel nicht sehr vielversprechend.

Warum musste das Opfer, das geschlagen wurde, neben dem Polizeiauto herlaufen – Schikane oder was steckt dahinter?
Es gibt keinen grundsätzlichen Anspruch auf Transport in einem
Polizeiwagen. Das hat oft polizeiliche und auch versicherungsrechtliche
Gründe, denn ein Polizeiwagen ist nur für Einsatzfahrten zu benutzen.
Braucht ein Opfer aus körperlichen Gründen diese Hilfe, bekommt er sie
auch. Die Kollegen handeln danach, was rechtlich geboten und erlaubt
ist. Es besteht ja auch die Möglichkeit, dass sie während der Fahrt zum
Revier dringend zu einem nächsten Einsatz gerufen werden. Was machen sie
dann, wenn sie eine Person im Auto haben – einfach aussetzen? Da sind
sicher Nachteinsätze für Polizisten nochmal etwas spezieller. Mit
Schikane hat das alles sicher nichts zu tun. Es ist ja auch möglich,
dass Polizisten und Opfer sich am Einsatzort trennen und die
polizeiliche Anzeige am nächsten Tag auf dem Revier aufgenommen wird.

Wäre anders gehandelt worden, wäre das Opfer nicht alkoholisiert gewesen?
Alkohol spielt keine Rolle, im Gegenteil. Einer der zentralen Gründe für einen
Transport im Polizeiwagen ist, dass die Person weder für sich noch für
die Allgemeinheit eine Gefahr darstellt. Es gibt oft genug Betrunkene,
die nicht ins Krankenhaus müssen, aber in die Ausnüchterungszelle
kommen. Das ist so eine Einsatzfahrt.

Autor: Rembert Graf Kerssenbrock

Das zuvor zusammengeschlagene Opfer musste den Weg vom Tatort zum Revier zu Fuß zurücklegen, das Polizeiauto fuhr im Schrittempo durch die Fußgängerzone nebenher.  | Foto: Uwe Schlick/pixelio.de
Patrick Bergmann. | Foto: Polizei

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