Fußnote, die Glosse im Guller
Jemand muss halt bezahlen

Alle Jahre wieder überfällt mich großer Frust. Nämlich dann, wenn die Steuererklärung fällig wird. Die Regelungen sind kompliziert, wirken willkürlich und am Ende habe ich immer das Gefühl, geschröpft und über den Tisch gezogen zu werden. Aber Vater Staat braucht halt Geld. Gerade erst hat er ein Konjunkturpaket von 130 Milliarden Euro beschlossen.
Wenn über finanzielle Hilfe und Geld von Vater Staat die Rede ist, klingt das immer ein bisschen, als wäre das eine fremde Person. In Wahrheit ist das aber nicht ein Wohltäter, der gütig lächelnd sein eigenes Porte­mon­naie öffnet. Diesen Geldbeutel füllen Steuerzahler. Das sind wir alle. Denn Steuern zahlt in irgendeiner Form jeder. Selbst der Obdachlose, dem eine gute Seele zwei Euro in die Hand gedrückt hat und der sich damit ein Drei-Korn-Brötchen kauft. Da sind nämlich sieben Prozent Mehrwertsteuer drauf, die am Verkaufstresen direkt eingezogen und ans Finanzamt abgeführt werden. Kauft er sich eine Flasche Mineralwasser, sind es sogar 19 Prozent.

Mehrwertsteuer

Der verminderte Satz von sieben Prozent gilt nämlich nur für Grundnahrungsmittel. Dazu zählt zum Beispiel Milch. Obwohl: Stammt sie von der Kuh, wird diese anders besteuert als vegane Varianten aus Hafer oder Soja. Das sind dann Konsumgüter, auf die 19 Prozent aufgeschlagen werden. Zu diesen zählt ebenso Mineralwasser. Kommt das erfrischende Nass zu Hause aus dem Hahn, sind lediglich sieben Prozent fällig. Die Klassifizierung ist kompliziert, wirkt willkürlich und irgendwie habe ich immer das Gefühl, wir werden über den Tisch gezogen.

Schöne Geste der Regierung

Immerhin dürfen wir uns jetzt über eine sechsmonatige Senkung der Mehrwertsteuer freuen. Im Rahmen des erwähnten Konjunkturpakets werden nur noch 16 Prozent auf Konsumgüter und fünf auf Produkte des absoluten Grundbedarfs erhoben. Ich höre schon das Stöhnen, wenn alle Waren in den Geschäften mit neuen Preisen ausgezeichnet werden müssen. Aber natürlich ist das eine schöne Geste der Regierung. Schließlich entgeht dem Staat damit ein ordentliches Sümmchen.
Tatsächlich hatte ich mich zuerst über eine Entlastung für alle gefreut. Doch nur bis Finanzminister Olaf Scholz erklärte, er hoffe, der Handel werde die Steuerreduzierung an die Kunden weitergeben. Das hatte ich in meiner Naivität für selbstverständlich gehalten. Ein Händler kann aber 19 Prozent Mehrwertsteuer von mir verlangen, obwohl er nur 16 an den Fiskus weitergibt. Liebe Bundesregierung, bei allem Respekt, diese Regelung ist kompliziert, wirkt willkürlich und ich fühle mich über den Tisch gezogen. Aber jemand muss halt bezahlen.
Anne-Marie Glaser

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