Denkmalporträt der Christuskirche in Kehl
Christus als realisierte Kirche

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Es genügt nicht, dass die Schönheiten der Heimat da sind, man muss sie auch sehen, man muss sie hervorholen aus dem oft bescheidenen Dunkel, in dem sie verborgen sind.
(Manfred Pfister, 1879-1959)

Die Christuskirche in Kehl befindet sich in einer Stadt mit einer bewegten Geschichte. Das Dorf Kehl war seit der Reformation eine evangelische Gemeinde, die zur Hälfte im Besitz von Baden-Baden (seit 1497) und Nassau (seit 1507) stand. Nach der Verlegung des Dorfes im Jahr 1681, um Platz für eine französische Befestigungsanlage zu schaffen, wurde Kehl nach dem Frieden von Ryswick (1697) durch Markgraf Ludwig zur Reichsfestung erhoben. Das ursprüngliche Gebiet des Dorfes entspricht heute der Christusgemeinde. 2012 wurden die Kehler Gemeinden zu einer gemeinsamen Kirchengemeinde zusammengeschlossen.
Im Laufe der Jahrhunderte war Kehl geprägt von Kriegen, Zerstörungen und Wiederaufbau, was seiner strategischen Lage am Rhein geschuldet ist. Im 19. Jahrhundert spielte die Stadt eine wichtige Rolle im Deutsch-Französischen Krieg und sie entwickelte sich zu einem bedeutenden Handels- und Wirtschaftszentrum. Mit dem Bau der Eisenbahnbrücke über den Rhein im Jahr 1861 wurde die Verbindung nach Straßburg weiter verbessert und die wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben. Im 20. Jahrhundert wuchs Kehl kontinuierlich und wurde zu einer modernen Stadt. Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg begann der Wiederaufbau, und die Stadt erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung. Heute verbindet Kehl seine reiche Geschichte mit einem lebendigen, modernen Charakter.
Der Erste Weltkrieg stellt auch in der Architekturgeschichte eine Zäsur dar. Die Zeit seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde durch verschiedene Stilrichtungen geprägt, die die Formensprache früherer europäischer Epochen aufgriffen und zum Teil kombinierten. Mit dem Jugendstil und später der vor allem vom Deutschen Werkbund getragenen Reformarchitektur gab es bereits Ansätze zu einer modernen Baukunst, doch blieben die historisierenden Stile bis 1914 prägend. Das „lange 19. Jahrhundert" dauerte auch in der Architektur bis zum Ersten Weltkrieg, jener Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Nach 1918 konnten die Architekten nicht dort weitermachen, wo sie fünf Jahre zuvor aufgehört hatten. Der, als überladen empfundene Stilpluralismus wurde durch eine sachliche Architektursprache ersetzt.
Kirchenbau war zu allen Zeiten eine herausragende und eine der bedeutendsten Bauaufgaben. Die Aufgabe, ein Haus zur Ehre Gottes oder für die Gemeinde der Gläubigen zu bauen, war für Architekten und Baumeister zu allen Zeiten eine kreative Herausforderung. Der Kirchenbau unterscheidet sich grundsätzlich von anderen Bauaufgaben, da der Kirchenraum den Erfordernissen der Theologie und dem liturgischen Geschehen zu entsprechen hat.
Die historische Christuskirche in Kehl aus dem Jahre 1822 bildete die Grundlage des Konzepts von Hans Voss (1766 bis 1826) er war ein deutscher Architekt und badischer Baubeamter, auf den Rat von Johann Wolfgang von Goethe lernte er bei dem badischen Architekten Weinbrenner. Er gilt als einer der talentiertesten Schüler von Friedrich Weinbrenner, er entwarf die Christuskirche in der Epoche des Neoklassizismus (1820-1918) und legte viel Wert auf klare Linien. 1820 wurde er zum Bauinspektor in Offenburg ernannt, 1832 zum Bezirksbaumeister in Freiburg und 1844 zum Baurat.
Im 19. Jahrhundert erlebte die evangelische Kirche in Deutschland und Europa eine Reihe von Entwicklungen und Veränderungen. Sie war geprägt von den Auswirkungen der Reformation und der Aufklärung, aber auch von den Herausforderungen des wachsenden Nationalismus und des sozialen Wandels.
Die Kirchengemeinde Kehl hat ihren Gebäudebestand reduziert. Der Standort an der historischen Christuskirche sollte erhalten und durch den Neubau des Gemeindehauses gestärkt werden. In einem zweiten Bauabschnitt erfolgte die Innen- und Außenrenovierung der Kirche, die nach Zerstörungen im zweiten Weltkrieg in den 50er Jahren wieder aufgebaut worden war.

Der Siegerentwurf des 2013 ausgeschriebenen Architektenwettbewerbes überzeugte durch eine klare städtebauliche Lösung, die gut nutzbare Außenräume bei der Kirche schafft. Die Verbindung zwischen Kirche und Gemeindehaus erfolgt über einen großzügigen Durchgang in der Nordwand der Kirche. Ein hölzerner Raumteiler auf Schienen ermöglicht der Kirchengemeinde eine flexible Nutzung des Kirchenraumes.
Klassische Sakralbauten zeichnen sich häufig durch ihre imposante Architektur aus - ornamentierte Fassaden, Rund- und Kreuzbögen, hohe Decken und bunte Fenster. Dass es auch anders geht, beweist das neue Gemeindezentrum der Christuskirche in Kehl. Geplant wurde das puristische Ensemble vom Architekturbüro VON M; diese beinhaltete die Sanierung, Restrukturierung und Ergänzung der 1822 nach Plänen von Hans Voß erbauten Kirche.
Grund für die Baumaßnahme war die organisatorische und wirtschaftlich bedingte Fusionierung der vier örtlichen Pfarrgemeinden zu einer Kirchengemeinschaft. Für die Herstellung des neuen Zentrums entschied man sich dazu, die älteste Kirche im Stadtteil, die Christuskirche, zum neuen Standort des Gemeindezusammenschlusses festzulegen und sie an die neuen Anforderungen anzupassen. In diesem Sinne wurde das bis dahin zweiteilige Ensemble um einen weiteren Baukörper ergänzt. Der kompakte Neubau dient als neues Gemeindezentrum und soll eine flexible, gemeinschaftliche Nutzung für die Ortschaft ermöglichen und neben Gottesdiensten auch für verschiedenste Veranstaltungen offen sein.
Die Architektur des monolithischen Neubaus kennzeichnet sich durch eine klare geometrische Ordnung und fügt sich mit seinem in strahlendem Weiß verputzten und gestrichenen Außenwänden in das vorhandene klassizistisch geprägte Bestandsensemble ein. Der Innenraum des 536 Quadratmeter großen Gemeinde-Neubaus bildet eine moderne Interpretation eines Kreuzgangs ab: Der stützenfreie Veranstaltungssaal überhöht die anschließenden Gruppenräume, die mithilfe von Faltwänden abgetrennt sind. Im offenen Zustand wirken sie als Erweiterung des Raumes und lassen sich damit für unterschiedlichste Klein- und Großveranstaltungen einsetzen.

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