Roland Ries und Toni Vetrano:
Grenzschließung darf es nie wieder geben

Freundschaftlich verbunden: Toni Vetrano (l). und Roland Ries | Foto: Stadt Kehl
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Kehl (st). Das „nie wieder“ ist ihnen wichtig: Drei lange Monate war der Rhein zwischen Straßburg und Kehl wieder eine streng kontrollierte Grenze. Zwar durften Grenzpendler passieren und am Ende gab es auch Erleichterungen für Familien, die sich auf beide Rheinseiten verteilten, doch die plötzliche Trennung eines über Jahrzehnte aufgebauten gemeinsamen Lebensraums hat Spuren und Verletzungen hinterlassen. Nicht in der institutionellen Zusammenarbeit zwischen den beiden Städten – Oberbürgermeister und Verwaltungen waren immer im Kontakt –, aber bei den Menschen, für welche die Grenzschließung persönliche Härten mit sich gebracht hat.

Damit das nie wieder passiert, haben die beiden Oberbürgermeister Roland Ries und Toni Vetrano eine gemeinsame Arbeitsgruppe eingesetzt, die Maßnahmen und Regelungen erarbeiten soll, damit auch in Krisenzeiten den Problemen im rheinübergreifenden Lebensraum adäquat begegnet werden kann. Große Hoffnungen setzen die beiden Oberbürgermeister auch in den aus dem Aachener Vertrag hervorgegangenen grenzüberschreitenden Ausschuss, der seine Geschäftsstelle in der Kehler Rehfusvilla haben und in Straßburg seine Sitzung abhalten wird.

Ensemble, zusammen: Die auf dem Banner auf der Plattform der Passerelle ineinander verwobenen Buchstaben der beiden Worte, die das Gleiche meinen, sind für Roland Ries und Toni Vetrano Sinnbild für den rheinübergreifenden Lebensraum, der in den vergangenen Jahren so zusammengewachsen ist, dass er sich nicht mehr so einfach trennen lässt. Wer die engen Verflechtungen zwischen Kehl und Straßburg nicht kennt, also selber tagtäglich erlebt, kann es sich offenbar kaum vorstellen – das ist eine Lehre, welche die beiden Oberbürgermeister aus der Krise ziehen. Zwar sind die Leuchtturmprojekt der grenzüberschreitenden Kooperation wie die Tram, die Passerelle des deux Rives oder die deutsch-französische Kinderkrippe in den Hauptstädten wohlbekannt, die Verknüpfungen im alltäglichen Leben, die dadurch entstanden sind, aber eben viel weniger.

Mit der Ansiedlung der Geschäftsstelle des aus dem Aachener Vertrag hervorgegangenen grenzüberschreitenden Ausschusses wird sich das, so hoffen Roland Ries und Toni Vetrano, ändern: Gemeinsam haben sie sich dafür eingesetzt, dass der Ausschuss in Kehl und Straßburg verankert wird, also dem Raum, der so oft als Labor für das vereinte Europa bezeichnet wird. Durch die unmittelbare Nähe der Geschäftsstelle vor allem zur Grenzgängerberatungsstelle Infobest, aber auch zum Euro-Institut sowie den Sekretariaten des Eurodistrikts und der deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz werde die Lebenswirklichkeit im gemeinsamen Ballungsraum stärker nach Paris und Berlin getragen, meinen die beiden Stadtoberhäupter.

In der gemeinsamen Arbeitsgruppe, die bereits virtuell getagt hat, soll definiert werden, wie die Gebietskörperschaften im Ballungsraum auch in einer Krise effektiv zusammenarbeiten können. Eine Art grenzüberschreitender Verwaltungsstab schwebt Toni Vetrano vor, ein Gremium also, das mit Fachleuten der beiden Verwaltungen aus den relevanten Bereichen besetzt ist und vor allem schnell und zuverlässig Informationen austauscht, aber auch abgestimmte und den Erfordernissen des gemeinsamen Lebensraums angepasste Maßnahmen beschließen kann.

Wenn man sich die Schutzmaßnahmen anschaue, die bis zum Lockdown auf beiden Rheinseiten getroffen wurden, ebenso wie die schrittweise Lockerung der Corona-Maßnahmen in den vergangenen Wochen, dann stelle man deutlich mehr Parallelen als Unterschiede fest, sind sich die beiden Oberbürgermeister einig und ziehen daraus den Schluss: Lebensqualität im rheinübergreifenden Ballungsraum kann nur durch eine enge Kooperation sichergestellt werden – und das gilt in normalen wie in Krisenzeiten.

Zu ihrem Treffen auf der Passerelle haben Roland Ries und Toni Vetrano bewusst Studierende von beiden Rheinseiten eingeladen. Gerade für junge Leute, die Grenzkontrollen aus eigenem Erleben nicht mehr kennen und für die offene Grenzen die Normalität gewesen sei, sei die Grenzschließung ein Schock gewesen. „Wir haben gesehen, dass der Traum der Gründer des vereinten Europas zerbrechlich ist“, sagte Roland Ries. Geträumt hätten sie diesen kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. „Wir sind es ihnen schuldig, dass es mit Europa weitergeht“, betonte er und ist sich mit seinem Kehler Amtskollegen einig, dass sich eine solche Grenzschließung nicht mehr wiederholen darf. Roland Ries zitiert Viktor Hugo: „Der Rhein verbindet alles.“ Bis dies Realität werde, „haben wir noch einiges an Zusammenarbeit zu leisten“, ist der Schluss, den Toni Vetrano und Roland Ries aus den vergangenen drei Monaten ziehen.

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