Stolpersteine in Kehl und Lahr
Wie Städte die Erinnerungskultur pflegen

Bei der letzten Stolpersteine-Aktion in Kehl reichten Angehörige der Opfer dem Künstler Gunter Demnig die Steine an.  | Foto: gro
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Kehl/Lahr (ds/gro). So mancher läuft achtlos über sie hinweg, andere bleiben bewusst stehen und lesen die Namen, die auf den mit Messingtafeln versehenen Pflastersteinen stehen. 59 Stolpersteine wurden bislang in Lahr verlegt, bereits 63 sind es in Kehl. In beiden Städten kam die Initiative, das Projekt des Künstlers Gunter Demnig zu unterstützen, aus der Bürgerschaft. 2003 regte Gardy Ruder in Lahr das Verlegen der Steine gegen das Vergessen an. Schon 2004 wurde die erste Gruppe in der Stadt vor den Häusern, in denen NS-Opfer lebten, eingesetzt. In Lahr wird allen Opfergruppen der nationalsozialistischen Regimes gedacht: Juden, politisch Verfolgte, Euthanasieopfer, Zeugen Jehovas und anderen. Mittlerweile hat die Betreuung des Projektes Doris Gerteis übernommen. Die Auswahl der Steine liegt in der Hand der jeweiligen Initiatoren. "In der Regel werden Opferbiografien, die gut belegt und recherchierbar sind, bevorzugt", teilt die Stadt Lahr auf Anfrage mit.

In Kehl wandte sich der "Arbeitskreis 27. Januar" im Frühsommer 2009 an den Oberbürgermeister und den Gemeinderat der Stadt mit der Bitte, das Projekt zu untertützen. Der Arbeitskreis ist ein Zusammenschluss der beiden Kirchen in Kehl, des Historischen Vereins, der Ärzteinitiative Kehl und verschiedener anderer engagierter Gruppen und Einzelpersonen. In seiner Sitzung am 29. Juni 2009 stimmte der Kehler Gemeinderat einstimmig dafür, dass künftig auf den stadteigenen Flächen die kleinen Betonquader verlegt werden dürfen. Das Gremium beauftragte Dr. Ute Scherb, Leiterin des Hanauer Museums sowie des Stadtarchivs, die Biografien der Kehler Opfer zu erforschen. Sie konnte dabei auf Vorarbeiten der Lehrer Friedrich Peter und Karl Britz zurückgreifen. Da aber wenig Dokumente zu jüdischen Einwohnern aus der NS-Zeit erhalten sind, war die Recherche schwierig. Nach Auskunft der Stadt Kehl wurden offenbar systematisch Melde-karten vernichtet, um Spuren der NS-Verbrechen zu tilgen.

Obwohl der Lahrer Gemeinderat die Initiative positiv aufgenommen hatte, machte er die Verlegung der Stolpersteine zu Beginn der Aktion von der Zustimmung der Hausbesitzer, vor deren Gebäude die Steine eingelassen werden sollten, abhängig. Eine Einschränkung, die wegen der hohen Ablehnungsrate schließlich vor einigen Jahren widerrufen wurde. Nach Angaben der Stadt Lahr konnte fast die Hälfte der Stolpersteine nicht verlegt werden.

Die ersten zwölf Stolpersteine wurden am 15. Juli 2011 in Kehl gesetzt, fünf davon vor dem City Center Kehl. Die letzten 18 Steine wurden dieses Jahr am 2. Mai in der Stadt verlegt.
Während in Lahr Doris Gerteis die Verlegung in Zusammenarbeit mit der Regionalgruppe Geroldsecker Land des Historischen Vereins für Mittelbaden organisiert, entscheidet in Kehl der "Arbeitskreis 27. Januar" darüber, wem mit den Stolpersteinen gedacht wird. So erhalten auch Überlebende des NS-Regimes, die aus ihrem Leben geworfen wurden, einen Stein, bislang waren es stets jüdische Opfer, künftig soll auch anderen Gruppen gedacht werden.

Die Reaktionen in Kehl waren positiv: In jede Verlegung wurden Schüler miteinbezogen. Sie beschäftigten sich im Unterricht intensiv mit den Biografien und dem Schicksal der Opfer und gestalteten die Zeremonien mit großem Engagement mit. Auch Kehler Bürger nahmen an jeder Zeremonie teil. Außerdem reisten auf Einladung des "Arbeitskreises 27. Januar" ehemalige Kehler Bürger, die die Verfolgung überlebten und jetzt in anderen Ländern wohnen, sowie deren Nachfahren an.

In Lahr spielen die Stolpersteine eine wichtige Rolle bei den thematischen Führungen zur jüdischen Geschichte. Einmal im Jahr werden die Steine vom Historischen Verein gemeinsam mit Konfirmanden oder einer Schulklasse gereinigt – so auch am Freitag.

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