Renate Klotzbach und Christel Weber erinnern sich:
Das Bänkle am Großen Deich

Nur ein Foto erinnert sie noch an das alte Bänkle: Renate Klotzbach (links) und Christel Weber sind gerne an der Kinzig. | Foto: Dagmar Jäger
  • Nur ein Foto erinnert sie noch an das alte Bänkle: Renate Klotzbach (links) und Christel Weber sind gerne an der Kinzig.
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Offenburg (djä). "Es gibt schlechte Nachrichten. Das Bänkle ist heute abgerissen worden. Wir sind traurig", schrieb Renate Klotzbach aus Elgersweier an den Stadtanzeiger. Das Bänkchen, um das es geht, stand an der Kinzig am Großen Deich. Wer sich darauf niederließ, konnte einen herrlichen Blick auf das Wehr genießen.

Nach rechts schweiften die Augen kinzigabwärts weit über Offenburg hinaus. Linkerhand, an den alten Weiden vorbei, schaute man ins sich öffnende Kinzigtal, über dem Schloss Ortenberg wacht. Manchmal wurde einem schon ein bisschen kühl beim Verweilen, vor allem, als die Sitzfläche noch aus Stein bestand – genau wie die jetzt entfernte Umrandung. Aber dafür entschädigte den hier Rastenden die Atmosphäre: der weite Blick und dazu die beruhigende Stetigkeit des fließenden Wassers. Da konnte man beim Sitzen fast ein wenig philosophisch werden.

Für viele Einheimische sind mit dem Bänkle am Großen Deich Erinnerungen verbunden – wie für Renate Klotzbach und ihre Schwester Christel Weber. "Ohne das Bänkle gäbe es das Birken-Wäldchen auf der Elgersweierer Kinzigseite nicht. Meine beiden Geschwister und ich mussten die frischgepflanzten Bäumchen in jenem Sommer auf Geheiß unseres Vaters täglich gießen", erinnert sie sich. Manchmal bekamen die Kinder für ihre Mühe zehn Pfennig von einer Elgersweierer Bürgerin, der das Wohlergeben der Bäumchen ebenfalls am Herzen lag. "Das Geldstück haben wir uns unter die Zunge gelegt und sind über das ,Brä' auf das gegenüberliegende Kinzigufer balanciert", erzählt Renate Klotzbach.

Das "Brä" – das war die Wehrkante, ganz oben, wo man leicht abrutschen konnte. Da musste man die Hände frei haben, um sich festhalten zu können. In den 1960er-Jahren gab es noch keinen Steg über den Fluss. Auf der Offenburger Seite kletterten die Kinder hoch zum Haus des Schleusenwarts. Damit sie dort an den Verkaufssschalter heranreichten, mussten sie sich mit dem großen Zeh auf das Fensterkreuz stellen. "Dann hast du die zehn Pfennig ausgespuckt und gesagt: Ein Zehnereis bitte", erinnern sich die Schwestern.

Das Eis wurde dann gleich auf dem Bänkle genossen. Über das Brä zurück konnten sie damit nicht, denn sie hätten es unterwegs verloren. "Das Bänkle hat uns belohnt für die Pflege der Birken", so bleibt es den Geschwistern in Erinnerung. Auch für viele Liebespaare war das Bänkle ein Refugium und so mancher erste Kuss wurde hier getauscht. Da gibt es für viele Einheimische Anlass zur Trauer wegen des Verlustes, besonders deshalb, weil der Grund für den Abriss so profan war.

Illegale Müllablagerungen sorgten an dieser Stelle immer wieder für Unmut. Das Grundstück am Großen Deich gehört dem Land Baden-Württemberg. Die Unterhaltspflicht liegt beim Regierungspräsidium und dort kann man all diese Grundstücke und damit den betroffenen Bereich am Großen Deich nicht regelmäßig kontrollieren. Auch die Stadt Offenburg konnte die Pflege auf dem Landesboden nicht übernehmen.

So hat die Stadt nun auf eigenem Grund am Kinzigdamm zwei neue Sitzbänke mit einem Abfallbehälter aufgestellt, der regelmäßig entleert wird. Die alte Sitzbank mit der Ummauerung ließ das Regierungspräsidium daraufhin entfernen. "Ich finde das so schade. Das Bänkle stand da, so lange ich denken kann. Und nur, weil manche Leute ihren Müll überall fallen lassen, ist es jetzt weg", sagt Renate Klotzbach. Das Problem kennen die Schwestern von "ihrer" Kinzigseite. "Ich sammle immer wieder herumliegendes Glas ein, damit sich niemand verletzt", erzählt Christel Weber.

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