Warum sich für den Pflegeberuf entscheiden?
Auszubildende erzählen aus ihrem Alltag

Weil der Bedarf immer größer wird, werden immer mehr Pflegekräfte gebraucht.
 | Foto: Lischewski/Paul-Gerhardt-Werk
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Offenburg (ds). "Am meisten kämpfe ich mit den vielen Namen", gibt Juliane Gißler ganz spontan zu. Ansonsten findet sie an ihrem Beruf nichts weiter auszusetzen. Sie absolviert derzeit eine Ausbildung zur Alltagsbetreuerin im Paul-Gerhardt-Werk in Offenburg. "Ich habe schon zwei Ausbildungen, als Konditorin und als Orthopädieschuhmacherin", erzählt Juliane Gißler. Sie wollte aber mehr mit Menschen zu tun haben und freut sich jetzt Tag für Tag, den Heimbewohnern ihren Alltag so positiv wie möglich zu gestalten. "Es ist doch sehr wichtig, das man sich auch im Alter um die Menschen kümmert", ist sie überzeugt. Angesprochen auf ihren Verdienst berichtet sie: "In den anderen beiden Berufen habe ich weniger verdient." Tatsächlich, entgegen aller landläufigen Vorstellungen, verdient beispielsweise ein Altenpfleger im ersten Berufsjahr 2.910 Euro bei 39 Wochenarbeitsstunden. Ein Bankkaufmann mit gleicher Stundenwoche, ebenfalls im ersten Berufsjahr, wird mit 2.578 Euro entlohnt. Das zeigt ein aktueller Vergleich des Verbandes diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD).

"Wir haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen und stehen immer wieder vor der Herausforderung, wie wir junge Menschen davon überzeugen können, dass ein Pflegeberuf für sie das Richtige ist", erklärt Eberhard Roth, Vorstand des Paul-Gerhardt-Werks, zu dem drei Pflegeheime, eine Rehabilitationsklinik für Geriatrie, betreute Seniorenwohnungen, eine Tagespflege, ein ambulanter Dienst, Essen auf Rädern und Nachbarschafthilfe gehören. Zusammen mit dem Ortenau Klinikum ist man außerdem Träger des ökumenischen Instituts für Pflegeberufe in der Ortenau. Roth berichtet, dass das Paul-Gerhardt-Werk mit Engpässen beim Pflegepersonal zu kämpfen hat, von einem Notstand will er aber nicht sprechen. Aktuell sind alle 350 Ausbildungsplätze im Pflegeinstitut belegt. "Weil der Bedarf immer größer wird, brauchen wir auch immer mehr Pflegekräfte", so Roth. Wieviele Pfleger und Betreuer in den jeweiligen Einrichtungen arbeiten, legt ein auf Landesebene festgelegter Personalschlüssel fest. "Obwohl wir den Schlüssel bis an die Obergrenze ausreizen, wäre mehr Personal für eine individuellere Betreuung immer schön", betont Eberhard Roth. "Zum Glück haben wir aber viele ehrenamtliche Helfer, die uns unterstützen und beispielsweise einfach nur bei den Bewohnern sitzen oder mit ihnen spazierengehen", berichtet Carolin Jäger, Leitung Personalverwaltung und Geschäftsführerin Diakonie-Sozialstation.

Tamara Elinavario ist ganz begeistert davon, wie professionell in Deutschland mit Senioren gearbeitet wird. Sie stammt aus Madagaskar und möchte in Offenburg lernen, wie man mit alten Menschen und vor allem Demenzkranken richtig umgeht. Nach ihrer Zeit als Au-pair in München absolvierte sie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Behindertenbereich, hat sich anschließend aber für die Altenpflege entschieden. Am meisten liebt sie an ihrem Beruf, wenn sie zu hören bekommt, wie schön es ist, dass sie da ist. "Und die Bewohner helfen mir alle beim Deutschlernen", freut sich Tamara Elinavario. Hat sie Wünsche den Dienstplan betreffend, so stößt sie in der Regel auf offene Ohren bei der Einrichtungsleitung. "So können wir trotz Wochenenddiensten auch ausgehen und uns mit Freunden treffen. Wir müssen eben einfach mehr planen", ergänzt Juliane Gißler.

Nach einem Praktikum hat sich auch Ronita Zuber ganz bewusst für den Beruf der Altenpflegerin entschieden. Nicht nur in der Ausbildung selbst lernt sie sehr viel: "Die Gespräche mit den Bewohnern bringen mir sehr viel für mein Leben", betont sie. Als belastend empfindet sie ihren Beruf überhaupt nicht. Auch mit dem Tod wurde sie bereits konfrontiert: "Ich wollte unbedingt persönlich von dem Bewohner Abschied nehmen. Das gehört einfach dazu", sagt Ronita Zuber.

Ihr Kollege Leonardo Echeverria absolviert in der Tagespflege ein Freiwilliges Soziales Jah (FSJ). Eigentlich ist der Kolumbianer IT-Spezialist. Nach dem Studium in seinem Heimatland kam er durch Freunde nach Deutschland: "Hier habe ich mich entschieden, in einen Bereich der Medizin reinzuschnuppern, der mich schon immer interessiert hat, nämlich älteren Menschen zu helfen", erzählt er. Für Leonardo Echeverria steht fest: Er lässt sich nach seinem FSJ am ökumenischen Institut für Pflegeberufe ausbilden. Damit wird er einmal zu den wenigen Männern in der Pflege gehören. "Das liegt in der Geschichte der Pflege begründet, die zurückgeht auf die Krankenschwester Florence Nightingale", erläutert Bernd Lischewski, Leiter des Bodelschwingh-Hauses in Offenburg. Er selbst durfte in seiner Ausbildung in den 70er-Jahre nicht einmal zusammen mit den weiblichen Kollegen frühstücken. "Man hat uns auch nicht Pfleger, sondern Wärter genannt", erinnert er sich. "Das ist heute freilich ganz anders, dennoch muss man verstärkt, etwa mit den Boys Days oder Schulpraktika, um künftige männliche Kollegen werben", so Lischewski.

Weil der Bedarf immer größer wird, werden immer mehr Pflegekräfte gebraucht.
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Leonardo Echeverria absolviert gerade in der Tagespflege ein Freiwilliges Soziales Jahr. | Foto: Lischewski/Paul-Gerhardt-Werk

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