KOA: Leichter Rückgang beim Bürgereld
Deutliche Kritik an Plänen des Bundes

Foto: ag

Ortenau Die Zahl der Leistungsempfänger bei der Kommunalen Arbeitsförderung (KOA) des Landratsamts ist leicht rückläufig. Der 
Quartalsbericht weist folgende Zahlen aus: Im Juni haben 8.703 Familien oder Haushalte Bürgergeld bezogen. Damit sind die Fallzahlen im zweiten Quartal 2023 um 0,29 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal gesunken. Der Vergleich mit dem Vorjahresquartal zeigt allerdings einen Anstieg der Fallzahlen um 5,13 Prozent.

Durch den Wechsel der Geflüchteten aus der Ukraine ins SGB II sind die Fallzahlen im Juni 2022 sprunghaft angestiegen. Seitdem stiegen sie kontinuierlich bis zu einem Höchstwert von 8.809 Bedarfsgemeinschaften im April 2023. In den vergangenen zwei Monaten sanken die Fallzahlen allerdings auf zuletzt 8.703 Bedarfsgemeinschaften. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind die Bedarfsgemeinschaften weniger stark gestiegen als in Bund, Land und dem vergleichbaren SGB-II-Typ.

Unter den zuletzt 11.980 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten befanden sich im Juni 1.827 Personen aus nichteuropäischen Flüchtlingsländern und 2.281 ukrainische Geflüchtete. Deren Zahl ist im zweiten Quartal um 148 gesunken. Der überwiegende Teil der ukrainischen Geflüchteten im Leistungsbezug ist zwischen 25 und 55 Jahren alt und weiblich.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit

Wer weder einer Tätigkeit mit mindestens 15 Stunden pro Woche nachgeht, eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme und einen Integrationssprachkurs besucht oder zur Schule geht, gilt statistisch als arbeitslos. Durch den Zuwachs an ukrainischen Geflüchteten ist der Anteil der arbeitslosen Personen merklich auf zuletzt fast 40 Prozent gestiegen. Die Vermittlung der ukrainischen Geflüchteten in Integrationssprachkurse verläuft erfolgreich, wohingegen die Vermittlung in andere Maßnahmen oder auf den ersten Arbeitsmarkt ohne Sprachkenntnisse denkbar schwierig ist. Diese rund 20 Prozent des gesamten Fallbestands, tragen dazu bei, dass der Anteil an arbeitslosen Leistungsberechtigten voraussichtlich noch eine geraume Zeit auf diesem hohen Niveau bleiben wird. Im Juni fand eine Steigerung der drittmittelfinanzierten Maßnahmen, zu welchen die Integrationssprachkurse zählen, um 216 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat statt. Nominal besuchten Ende Juni 967 Personen eine solche Maßnahme.

Die Zahl der unter 25-jährigen im Leistungsbezug hat auf Grund der Ukrainekrise ebenfalls stark zugenommen. Von den 2.172 Personen unter 25 Jahren hatten im Juni 273 den Status arbeitslos, 21,9 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Die Ursache für den Zuwachs liegt in der Aufnahme der ukrainischen Schutzsuchenden. In erster Linie kamen Jugendliche und junge Erwachsene und Frauen aus der Ukraine. Die Sprachkurskapazitäten werden kontinuierlich ausgebaut, was sich bereits in einem Rückgang des Anteils an Arbeitslosen U25-Jährigen zeigt. Diese Kurse sind jedoch bei Weitem nicht so ausreichend, dass allen eine zeitnahe Teilnahme zugesichert werden kann. Auch die Versorgung der ukrainischen Geflüchteten in Schulen benötigt Zeit. 

Arbeitsvermittlungen

Im Vergleich zum Vorjahresquartal hat sich die Anzahl der Integrationen nur geringfügig verändert (minus 1,7 Prozent). Die Integration von Frauen gestaltet sich oft schwieriger auf Grund häufiger Doppelbelastungen wie Haushaltsführung und Kindererziehung, was sich auch in der Zahl der Integrationen niederschlägt. Im zweiten Quartal 2022 hatten Frauen einen Anteil an den Integrationen in Höhe von 39 Prozent. Dieser konnte 2023 auf einen Anteil von 43 Prozent erhöht werden.

Arbeitsfördermaßnahmen

Gerade bei langzeitarbeitslosen Menschen sind oft verschiedene Vermittlungshemmnisse vorhanden, die einem direkten (Wieder-)Einstieg in das Arbeitsleben entgegenstehen. Durch Qualifizierungs-, Aktivierungs- und Trainingsmaßnahmen sollen die Arbeitsuchenden für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Um eine positive Wirkung erzielen zu können, wurde das Maßnahmenangebot der KOA in den vergangenen Jahren bedarfsgerecht entwickelt.

Beschäftigungsmaßnahmen

Die Zuweisung von SGB II-Leistungsempfängern in Beschäftigungsmaßnahmen ist eine bedeutende arbeitsmarktpolitische Strategie bei der Aktivierung Arbeitsloser, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht oder nicht auf Anhieb vermittelbar sind. Dies erhält und verbessert nicht nur deren Beschäftigungsfähigkeit, es gelingt auch häufiger, sie aus solchen Maßnahmen unmittelbar
in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln.

Allerdings: Die Entwicklung der Arbeitsgelegenheiten (Zusatzjobs/AGH) ist seit geraumer Zeit rückläufig. Diese sind im Juni auf 194 gesunken. Das Instrument wurde im Zuge der Flüchtlingskrise in den Folgejahren ab 2016 stark genutzt, um die Geflüchteten an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen. Bei den ukrainischen Geflüchteten wird der Erwerb von Sprachkenntnissen derzeit noch stark priorisiert. Im Juni befanden sich in Summe 1.973 erwerbsfähige Leistungsberechtigte in einer Arbeitsfördermaßnahme der KOA, somit ein Anstieg um rund 36 Prozent, der primär durch die Vermittlung der ukrainischen Geflüchteten in Integrationssprachkurse ausgelöst wurde. 21,4 Prozent aller dem Arbeitsmarktmarkt zur Verfügung stehenden Personen besuchen eine Maßnahme zur Aktivierung.

Änderungen im Zuge des Bürgergelds
Zum 1.Juli standen weitere Änderungen im Zuge der Durchführung des Bürgergeldgesetzes an. Wesentliche Änderungen im Bereich der Leistungsgewährung drehen sich um die Anrechnung von Einkommen. So sind Einkommen von Schülern in den Ferien, Mutterschaftsgeld und Einkommen aus Ehrenamt anrechnungsfrei. Der Freibetrag bei Erwerbstätigkeit wird außerdem um eine weitere Stufe ergänzt. Bei Schülern, Auszubildenden, Studierenden und beim Bundesfreiwilligendienst beläuft sich der Grundfreibetrag auf 520 Euro.

Die Änderungen im Arbeitsförderbereich sind durchgreifender. So wurde der Kooperationsplan eingeführt, der die bisherige Eingliederungsvereinbarung ablöst. Damit verbunden ist die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens in Fällen, in denen bei der gemeinsamen Erarbeitung des Kooperationsplans keine Einigung erzielt werden kann. Die KOA wird die Schlichtungsstelle intern organisieren.

Eine weitere Änderung betrifft die Einführung von monetären Boni bei erfolgreichem Besuch von Qualifizierungsmaßnahmen. Für einige Maßnahmen mit mindestens achtwöchiger Dauer, wird ab Juli ein Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro pro Monat bewilligt. Für berufsbezogene Weiterbildungen, an deren Ende ein qualifizierter Abschluss steht, wird ein Weiterbildungsgeld in Höhe von monatlich 150 Euro gewährt.

Ende Juni wurden Pläne zu Kürzungen im Bundeshaushalt für das SGB II bekannt. Diese finden sich nun auch im Beschluss des Bundeskabinetts zum Bundeshaushalt 2024 und der Finanzplanung bis 2027 wieder und werden voraussichtlich gravierende Auswirkungen auf die Arbeit der KOA haben. So soll der Eingliederungstitel SGB II im Bundeshaushalt 2024 um 400 Millionen Euro gekürzt werden. Nach ersten Berechnungen werden sich die zur Verfügung stehenden Mittel um rund eine Million Euro verringern und damit die Handlungsfähigkeit der KOA stark einschränken.

Es steht in Frage, ob der gesetzliche Auftrag des SGB II mit derart reduzierten Mitteln überhaupt vollumfänglich erfüllt werden kann. Zahlreiche Änderungen im Rahmen der Einführung des Bürgergelds, das zusätzliche Zahlungen wie den Bürgergeldbonus und das Weiterbildungsgeld vorsieht werden das Budget der KOA zusätzlich belasten. Der neu hinzu gekommene Qualifizierungsvorrang wird voraussichtlich ebenfalls den Mittelbedarf erhöhen, weil solche beruflichen Weiterbildungen in der Regel erheblich teurer sind als die Maßnahmen zur Aktivierung.

Die Mittelkürzung ignoriert außerdem die konstant wachsenden Verwaltungskosten durch neue Tarifabschlüsse, zunehmenden Digitalisierungsbedarf sowie allgemeiner Teuerung. Mit dem Rechtskreiswechsel der ukrainischen Geflüchteten in das SGB II hat sich der Fallbestand der KOA um rund 20 Prozent erhöht. Allein der Mehrbedarf an Personal wirkt sich bereits heute finanziell stark aus.

Darüber hinaus plant die Bundesregierung für das Jahr 2025, die Arbeitsförderung von SGB-II-Empfängern unter 25 Jahren den Agenturen für Arbeit nach dem SGB III zu übertragen und damit künftig über Beitragsmittel der Arbeitslosenversicherung zu finanzieren. Die passiven Leistungen der Jugendlichen sollen dagegen weiterhin von den Jobcentern erbracht werden. Der Ortenaukreis lehnt die Änderungen, die überraschend und ohne fachliche Beratung beschlossen wurden, nachdrücklich ab.

Die Herausnahme des Personenkreises U 25 aus dem SGB II und damit aus der Zuständigkeit der Jobcenter läuft einer ganzheitlichen Betreuung der Bedarfsgemeinschaften und der Familien völlig zuwider und würde die fundierte und umfassende Unterstützung der Jugendlichen auf dem Weg in den Arbeitsmarkt untergraben und gerade bei der Ausbildungssuche und der Arbeitsvermittlung das Angebot aus einer Hand auflösen.

Mit dem Bürgergeld-Gesetz wurden gerade erst Beratungs- und Betreuungsleistungen und insbesondere auf Jugendliche zugeschnittene Instrumenten gestärkt. Die Planungen ignorieren die reale Situation und fachliche Belange völlig. Die jungen Menschen, die im SGB II betreut werden, haben ganz spezielle Bedarfe. Die Jobcenter haben hier Instrumente und Betreuungsangebote geschaffen, die spezielle Problemlagen aufgreifen und berücksichtigen. Weder haben die Arbeitsagenturen vergleichbare Erfahrung im Umgang mit solchen Bedarfen, noch entsprechende Instrumentarien zur Verfügung; diese müssten erst sehr aufwändig geschaffen werden. Neue Schnittstellen zwischen Jobcenter und Arbeitsagentur würden geschaffen, und die Abläufe würden zu Lasten der jungen Menschen wie auch der Behörden verkompliziert. Ein solch zusätzlicher Bürokratieaufbau wäre kontraproduktiv, wenn Einsparungen im Bundeshaushalt das Ziel sind.

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