Zahl des Schwarzwilds soll reduziert werden
Angst vor Afrikanischer Schweinepest

Foto: Richy/pixelio.de

Ortenau (rö). Massenhaft Wildschweine, Appelle an die Jäger, mehr der sich immer stärker vermehrenden Schwarzkittel zur Strecke zu bringen, und Angst vor der Afrikanischen Schweinepest: Die Debatte über eine Intensivierung des Kampfes gegen den steigenden Schwarzwildbestand hat an Fahrt gewonnen. Vor dem Hintergrund der akuten Gefahr, dass sich Tiere auch in Deutschland mit dem Schweinepest-Virus infizieren, trägt sich der für Landwirtschaft und Forst zuständige Landesminister Peter Hauck gar mit dem Gedanken, eine intensivere Bejagung behördlich anzuordnen. Doch fraglich ist, ob dies hilft, ehe nicht andere noch offene Fragen geklärt werden – beispielsweise die Aufhebung der Jagdruhezeiten.

Wer öfter in Wald und Flur unterwegs ist, kann auch in der Ortenau Indizien für Aktivitäten der Schwarzkittel insbesondere zu nächtlicher Stunde nicht übersehen: Großflächig „umgebrochenes“ Gelände ist da zu sehen. Weshalb dies von Jahr zu Jahr immer häufiger der Fall ist, wird anhand von Zahlen deutlich. Laut Rolf Müller, Fachbeauftragter für Jagd und Wild des Naturschutzbundes (Nabu) Baden-Württemberg, haben sich beispielsweise die Abschusszahlen im Ländle von 6.000 bis 7.000 im Jahr 1985 auf 70.000 im Jahr 2012 etwa verzehnfacht. Fazit Müllers: „Mitte der 80er-Jahre hat eine exponentielle Entwicklung des Schwarzwildbestands begonnen.“

Und diese Entwicklung setzt sich fort, weshalb Minister Hauk das Ziel vor Augen hat, die Jagdquote vorübergehend um 30 bis 40 Prozent zu erhöhen. Aber wie? Welche Zielkonflikte es da geben kann, zeigt sich am Beispiel des einst miltärisch genutzten, inzwischen im Besitz der Stiftung Nationales Kulturerbe befindlichen Langenhards bei Lahr. Gleich unterhalb des Geländes wohnt Dr. Wolfgang Lauer, im Ruhestand befindlicher Tierarzt, Vorsitzender der rund 280 Mitglieder zählenden Jägervereinigung Lahr und Pächter eines Jagdreviers auf dem Langenhard sowie in Ottenheim. Das benachbarte Kulturerbe-Gelände sei eine Oase für die Schwarzkittel, befindet Lauer, wovon er sich auch gleichermaßen vor der Haustür überzeugen könne. Stets zu bestimmten Uhrzeiten würden sich die Rotten in das benachbarte Revier aufmachen, wo ein per Leitbild der Stiftung verordnetes Nachtjagdverbot gilt.

Jörg Leser, seit April von der Stiftung für den Bereich benannter Jäger, hingegen hat „aktuell keinen Hinweis, dass Sauen immer wieder das Naturerbe-Gelände aufsuchen, weil sie dort sicherer sind als in anderen Revieren“. Da bei einem Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in der Region von den zuständigen Behörden wahrscheinlich Auflagen und Vorgaben bezüglich der Bejagung von Schwarzwild gemacht werden, sei er jedoch mit den Verantwortlichen des Nabu in stetigem Kontakt, „um dann schnell die gegenwärtige Vorgehensweise den Anforderungen anpassen zu können“.

Dessen Fachbeauftragter Rolf Müller fordert derweil eine „massive Reduktion der Bestände“ und verweist auf Berechnungen von Veterinär-Experten, wonach ein „Herunterfahren“ auf zehn Prozent des jetzigen Bestands notwendig sei. Müller plädiert unter anderem für eine verstärkte Durchführung von großräumigen, revierübergreifenden Bewegungsjagden mit Unterstützung durch Behörden unter anderem bei Straßensperrungen, wobei die Jäger auch im Schießwesen, bei der Organisation und Hundeeinsatz weiter qualifiziert werden müssten sowie den Einsatz so genannter Saufänge.

Letzteres hat Wolfgang Lauer schon als überaus “scheußlich“ erlebt, und auch Jörg Leser und Rolf Müller können derlei Gefühle nur teilen. Doch Gefühle würden keine Rolle mehr spielen, wenn die Afrikanische Schweinepest aus Osteuropa wie Polen nach Deutschland überschwappen sollte, was nach Einschätzung des Nabu-Fachbeauftragten sehr wahrscheinlich ist. Müller: „Die Neuinfektionen zeigen den gefährlichen Verbreitungsweg der Seuche auf: Verschleppung durch Verkehr und Menschen.“ Da der Erreger sehr lange außerhalb seines Wirts überdauern könne, verbreite er sich beispielsweise auch über weggeworfene Fleischprodukte und verunreinigte Schuhe. Da die Afrikanische Schweinegrippe mittlerweile in den europäischen Verkehrsströmen angelangt sei, erscheine „ein Aufflammen an beliebigen Orten in Europa mittlerweile wahrscheinlich.“

Ein Horrorszenario auch für Minister Hauk: Ganze Bestände von Hausschweinen müssten dann getötet werden, befürchtet er. Laut Nabu-Informationen hat er, was offiziell bislang noch nicht verkündet wurde, bereits vorgesorgt: Es soll nach dem jetzigen Stand für rund zwei Millionen Euro eine extra Tierkörperbeseitigungsanlage errichtet werden. Der Virus ist zwar nicht auf den Menschen übertragbar – auf Schweinefleisch müsste dann allerdings vielerorts verzichtet werden.

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