Handliche Tablets statt schwerer Papierberge?

Aktenberge ade – in Oberkirch arbeiten die Gemeinderäte seit Anfang November mit Tablets. | Foto: Stadt Oberkirch
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Ortenau. Ratsarbeit mit dem Tablet – das ist in Oberkirch bereits seit einiger Zeit Realität: Seit
der Gemeinderatssitzung Anfang November arbeitet das Gremium papierlos.
„Alle Stadträte erhielten Schulungen. Bislang gab es noch keine Probleme
mit der Bedienung der Geräte“, so der Oberkircher Pressesprecher Ulrich
Reich auf Anfrage. Sollten die doch einmal auftreten, können sich die
Stadträte an die Spezialisten der Stadtverwaltung wenden.

11.200 Euro hat die Anschaffung der 26 IPads für die Gemeinderäte gekostet –
zwischen 27.000 und 30.000 Euro hat die Stadt Oberkirch in der
Vergangenheit pro Jahr für den Druck und den Versand der Unterlagen für
die Ratssitzungen ausgegeben. „Die Tablets sind auf eine Nutzungsdauer
von fünf Jahren, also der Dauer von einer Amtszeit eines Gemeinderats,
ausgelegt“, erklärt Reich.

Neben der Kostenersparnis gibt es auch einen Zeitvorteil: „Die Sitzungsunterlagen sind nun früher beim Gemeinderat als über den Postweg“, berichtet Ulrich Reich. Das wird umso
wichtiger, weil eine Änderung im Kommunalrecht ansteht, die
vorschreibt, dass die Einladung für den Gemeinderat sieben Tage vor dem
Termin zugegangen sein muss. „Innerhalb kürzester Zeit wurde vom alten
Ratssystem auf ein komplett papierfreies System der Firma Sternberg
umgestellt“, berichtet Ulrich Reich über die Umstellungsphase. Die
Vorteile, die sich nach den wenigen Wochen schon zeigen: Einfachheit,
Zeit- und Papiereinsparung, ein Informationszuwachs und eine intensivere Gremienarbeit. 

Auch die Stadt Hausach steht der Digitalisierung der Gremiumsarbeit grundsätzlich offen gegenüber. „Aufgrund eines Antrages aus dem Gemeinderat sind wir derzeit dabei, die Vor- und
Nachteile hierfür zusammenzutragen“, erklärt Viktoria Malek, Haupt- und
Personalamtsleiterin bei der Stadtverwaltung Hausach, die auch die
Einbindung von IPads in die Überlegungen mit einbezieht. Anders sieht es
dagegen in Hornberg aus. Hier hat man die Einführung eines
elektronischen Ratssystems vorläufig zurückgestellt. „Zum einen aus
Kostengründen, was die Beschaffung der IPads anbelangt, zum anderen aber
auch aus Sicherheitsgründen, was nichtöffentliche Beratungsunterlagen
angeht“, berichtet Hauptamtsleiter Oswald Flaig. Dennoch behalte die
Stadt das Thema im Auge.

Nicht gänzlich abgeschrieben hat man das Thema papierlose Gremienarbeit in Haslach. Sollte man sich für eine Arbeit mit dem Tablet entscheiden, möchte man hier auch gleichzeitig das
gesamte Ratsinformationssystem elektronisch anpassen. „Beides gehört
für uns zusammen“, erklärt Hauptamtsleiter Adrian Ritter. „Wir haben uns
bereits Gedanken über eine Umstellung gemacht und uns die Möglichkeiten
auch schon in der Praxis zeigen lassen.“ Der Wille für eine
elektronische Aufrüstung der Gremienarbeit ist also vorhanden. „Der
Praxistest hat uns allerdings nicht in Gänze überzeugt“, so Ritter
weiter. Das entsprechende System schien noch nicht ausgereift genug, als
dass die Vorteile in Bezug auf eine effizientere Arbeit gegeben gewesen
wären. Es müsse ein Mehrwert erkennbar sein, so Ritter, der die
getesteten Varianten nicht als gänzlich ungeeignet empfindet. „Für uns
sind sie allerdings noch nicht optimal“, erklärt der Hauptamtsleiter,
der weiter ausführt: „Derzeit sind wir zufrieden mit der aktuellen
Praxis hier in Haslach. Wir sind mit dem derzeitigen System flexibel und
möchten keinen Schnellschuss machen. Trotzdem beobachten wir weiterhin
die Möglichkeiten, die es gibt.“ 

In Lahr wurden durch die Einführung des Ratsinformationssystems ab 2012 als Nebeneffekt die
technischen Voraussetzungen geschaffen, die die Einführung von Tablets
für alle Mitglieder des Gemeinderats mit geringem technischem Aufwand
erlauben würden. Für jedes Mitglied gibt es demnach Zugänge, über die
auf alle Sitzungsunterlagen zugegriffen werden kann. Bereits jetzt
nutzen einzelne Mandatsträger diese Möglichkeit auch während der
Sitzungen per W-LAN Zugang im Sitzungssaal über ihre privaten
Tablets. Einer Einführung von Tablets für alle Gemeinderäte müsste
natürlich das Gremium zustimmen. Da nun nahezu alle städtischen
Ausschüsse und Beiräte über das Ratsinformationssystem abgebildet
werden, wurde dazu gestern betont, wird im kommenden Jahr ein
entsprechender Vorschlag formuliert und diskutiert.

„Unbestreitbar“, so die Verwaltung, „hätte die Einführung von Tablets für die Ratsarbeit
grundsätzlich große Vorteile, in erster Linie durch Einsparung von
Arbeitsaufwand beim Versand, bei Papier-, Kopier- und Portokosten sowie
durch komfortable Recherchemöglichkeiten.“ Im übrigen habe die bisherige
Arbeitsweise die selben Vor- und Nachteile wie das papierlose Büro
allgemein: zum Beispiel Abhängigkeit vom Stromnetz, von Servern und
Netzwerken. Darüber hinaus gebe es bekannte allgemeine
Sicherheitsprobleme beim Datenschutz von persönlichen und
nichtöffentlichen Daten. Auch sei nicht jeder in der Verwaltung und
Gremien „digital-affin“, und das „visuelle Gedächtnis“ funktioniere
besser mit Papier. 

150.000 Seiten doppelseitig bedruckt oder ein 17 Meter hoher Papierstapel in einem Jahr – so anschaulich macht die Stadt Kehl, welchen Umfang die Vorlagen für die Gemeinderatsarbeit
haben. Der Papierberg muss nicht nur durchgearbeitet werden, sondern die
Gemeinderäte nehmen die Unterlagen auch mit in die Sitzungen – und die
wiegen nicht nur wegen ihres Inhaltes schwer. Es waren allerdings
Kostengründe, die den Kehler Gemeinderat im Juli dazu bewogen, Abschied
von der klassischen Vorlage zu nehmen. Ab Anfang 2016 sparen handliche
Tablets nicht nur Gewicht, sondern auch Druck- und Portokosten. „Wir
haben die Gemeinderäte für die Testphase vergangene Woche ausgewählt“,
berichtet die Pressesprecherin der Stadt, Annette Lipowsky, über den
Stand der Entwicklung. Hinzu kommt, dass die Stadt schon lange alle
Unterlagen für die öffentlichen Sitzungen auf ihrer Homepage über ein
Ratsinformationssystem zur Verfügung stellt. 

Auch die Stadt Achern will mit der Zeit gehen und künftig den Gemeinderäten
Tablet-Computer zur Verfügung stellen. Dort ist man ebenfalls mitten in
der Vorbereitung für die Umstellung. Noch sind keine Geräte gekauft,
aber die Mittel wurden für den Doppelhaushalt  2016/17 eingestellt. Der
muss allerdings noch durch den Gemeinderat beschlossen werden. Erst dann
werden die Stadträte im Umgang mit den Geräten geschult. Auch die
Entscheidung, mit welcher Software gearbeitet wird, wird dann fallen.
„Das Handling der Sitzungsunterlagen wird vereinfacht“, erklärt Helga
Sauer, Pressesprecherin der Stadt Achern. Zukünftig sollen sich nicht
nur die aktuellen, sondern natürlich auch die Unterlagen zurückliegender
Sitzungen abrufen lassen. „Auch die Recherche wird einfacher, da man
Suchbegriffe eingeben kann“, ist sich Helga Sauer sicher. Gute 100
Seiten stark sind die Vorlagen für eine Sitzung – die Stadt Achern wird
auch Papier sparen. 

In Offenburg werde im ersten Halbjahr 2016 die Verwaltung über die Einführung der modernen Kommunikationsmittel beraten, so Pressesprecher Wolfgang Reinbold. Ausgelöst wurde das
Projekt durch einen SPD-Antrag aus dem Jahr 2014. Statt der tausenden
von bedruckten Seiten könnten die Stadträte dann einen Link zum Download
der Sitzungsunterlagen erhalten. Schwierig werde es, so Reinbold, wenn
es um umfangreiche und großformatige Baupläne gehe. Das Vorgehen in
solchen Fällen werde in den kommenden Wochen besprochen. Da die
Stadträte kürzlich eine Erhöhung ihres Sitzungsgeldes erhalten haben,
werde damit auch vergütet, wenn sie sich Unterlagen ausdrucken wollen
oder müssen. In den Sitzungsorten im historischen und technischen
Rathaus sowie im Salmen wird zudem das drahtlose Netzwerk ausgebaut. 

„Nach einigen Monaten Zweigleisigkeit läuft seit nunmehr einem guten Jahr die
Gemeinderatsarbeit ausschließlich elektronisch. Formal wurde dies durch
die einstimmig vorgenommene Änderung der Geschäftsordnung des
Gemeinderates eingeführt“, erklärt Bürgermeister Markus Vollmer den
Stand der Technik in Ortenberg. „Eine spezielle Software setzen wir
nicht ein, dies wäre für eine Gemeinde unsere Größenordnung nicht
wirtschaftlich, denn wir haben weder Ausschüsse noch Ortschaftsräte und
auch keinen Ältestenrat“, so Vollmer. Dadurch sei gewährleistet, dass
alle Gemeinderäte in Ortenberg immer auf dem selben Informationsstand
seien. Nach einiger Zeit habe sich das System, das mit einem minimalen
Aufwand für alle Beteiligten einen relativ hohen Komfort liefert,
etabliert, beschreibt Vollmer die Situation: „Wir könnten uns eine
Rückkehr zu den Papierunterlagen nur sehr schwer vorstellen und sind
froh, diesen Schritt vorgenommen zu haben.“

Die Gemeinde geht noch einen Schritt weiter: „Wir führen auch Abstimmungen einfachen
Inhalts inzwischen im elektronischen Verfahren durch“, so Vollmer. Um
die Datensicherheit gewährleisten zu können, hat jeder Ortenberger
Gemeinderat eine spezielle E-Mailadresse erhalten. „Der Download-Link
wird jeweils an diese spezielle E-Mail-Adresse zugestellt“, erklärt Vollmer.

Autor: gro/bos/rek

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