Rekordnachfrage beim Kälteschutz
1.177 Übernachtungen über den Winter
- Die Saison für den Kälteschutz in Kehl ist zu Ende.
- Foto: Stadt Kehl/Norman Mummert
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Kehl (st) In klirrend-kalten Nächten ist der Kälteschutz in Kehl ein warmer Unterschlupf für von Obdachlosigkeit betroffene Menschen. Die Nutzerzahlen sind laut einer Pressemitteilung der Stadt seit 2021 steigend und erreichten mit 1.177 Übernachtungen in der nun zu Ende gegangenen Saison einen neuen Rekordwert. Für einige der Gäste ist der Kälteschutz aber nicht nur ein Schlafplatz, sondern auch ein erster Schritt in die Eigenständigkeit.
Für Dennis Keller (Name geändert) war es die erste Saison im Kälteschutz. Der 33-Jährige hat 111 Nächte in einem der fünf beheizten Container verbracht. Und wenn es nach ihm geht, soll es auch bei dieser einen Saison bleiben. Und das nicht etwa, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Im Gegenteil: „Ich bin sehr froh, dass es das Angebot gibt“, sagt er. Dennis Keller hat eine Lebensgeschichte, wie sie den Mitarbeitenden des Diakonischen Werks häufig begegnet: geprägt von zerbrochenen zwischenmenschlichen Beziehungen, Abhängigkeiten und wiederkehrender Obdachlosigkeit.
Hilfsbereitschaft
„Er ist ein lieber Kerl, da kann man noch etwas herumreißen“, berichtet Nadine Jamieson, die als Mitarbeiterin des Diakonischen Werks den Schließdienst für die Kälteschutz-Container übernimmt. Sie kennt Dennis Keller als ordentlichen, ehrgeizigen und hilfsbereiten Menschen. Als die Polizei einen wohnungslosen Menschen im Rollstuhl im Kälteschutz einquartierte, gehörte Dennis Keller zu den ersten, die dem neuen Gast dabei halfen, sich im Kälteschutz zurechtzufinden. „Selbstverständlich packe ich da mit an. Alles andere wäre falsch“, quittiert er das im Gespräch mit einem Schulterzucken. Doch die von ihm beschriebene Selbstverständlichkeit zeigt sich nicht bei jedem Kälteschutzgast.
„Dennis Keller war bei uns schon so eine Art Hausmeister“, beschreibt Nadine Jamieson und lacht. Der Tag im Kälteschutz begann für ihn gegen 7.30 Uhr. Um diese Uhrzeit stand er auf und begann damit, seinen Schlafplatz aufzuräumen. Anschließend erinnerte er auch die übrigen Gäste daran, es ihm gleich zu tun. „Die verlassenen Räume waren tipptopp“, lobt Nadine Jamieson. Die Container sind eine Übernachtungsmöglichkeit, keine Verweilstätte. Über den Mittag verlassen die Gäste daher den Kälteschutz. In Ausnahmefällen, etwa wenn ein Arzt die medizinische Notwendigkeit attestiert, können Gäste auch tagsüber in ihrem Kälteschutzcontainer bleiben. Dennis Keller zieht es ins Freie. Dort trifft er sich mit Freunden und Bekannten. Und er kümmert sich darum, „mein Leben in die richtige Richtung zu lenken“. Das erklärte Ziel des 33-Jährigen ist es, in eine eigene Wohnung, beispielsweise in einem Obdachlosenheim zu ziehen. Das war gleichzeitig der Grund, weshalb er erstmals im Kälteschutz übernachtet hatte. „Ich wollte nicht mehr von meinen Kumpels abhängig sein“, betont er. Insofern diente ihm die Kälteschutzsaison auch als Gelegenheit, sich in Selbstorganisation zu üben.
Neuer Höchstwert bei Übernachtungen
Mit 1177 Übernachtungen erreichte der Kälteschutz in der zurückliegenden Saison 2024/2025 einen neuen Höchstwert. „Alle fünf Container waren fast durchgehend belegt“, berichtet Gabriele Gröger, Leiterin des Diakonischen Werks in Kehl und Achern. Die Übernachtungsgäste stammen aus neun verschiedenen Nationen und decken eine Altersspanne von 24 bis 69 Jahren ab. Zurückgegangen ist allerdings die Zahl der Nutzerinnen. „Obwohl die Zahl der Frauen im 'Café Kanne' steigen, spiegelt sich das nicht im Kälteschutz wieder“, sagt Gabriele Gröger. Unter den 26 Gästen, die die Übernachtungsmöglichkeit in den Wintermonaten nutzten, waren 23 Männer und drei Frauen.
Wer im Kälteschutz übernachten will, muss sich im "Café Kanne" im Gemeindehaus der Sankt-Johannes-Nepomuk-Gemeinde anmelden. Zwei der fünf Container sind üblicherweise für Frauen reserviert. „Aufgrund der niedrigen Nutzerinnenzahl haben wir einen der beiden Container bei Bedarf für männliche Gäste geöffnet“, berichtet sie. Sie führt diese Entwicklung auf ein mangelndes Sicherheitsgefühl der Frauen zurück. Denn: Die Container lassen sich nicht von innen abschließen. „Zusammen mit dem Diakonischen Werk möchten wir genau analysieren, wie wir die Bedingungen für die Menschen vor Ort verbessern können“, berichtet indes Jannate Hammerstein, Leiterin des städtischen Bereichs Sozialwesen. „Vom Betriebshof über den kommunalen Ordnungsdienst bis hin zu den Hausmeistern trägt jeder seinen Teil dazu bei, dass die Obdachlosen in Kehl besser geschützt sind.“ Von den Nutzerinnen und Nutzer, die kommen, erfahren Gabriele Gröger und ihr Team große Dankbarkeit. „Wir sind zu einer kleinen Familie zusammengewachsen“, berichtet Nadine Jamieson.
Hintergrund
Den Kälteschutz für freiwillig obdachlose Menschen gibt es seit 2021 in Kehl. Die Firma Algeco hat der Stadt erneut die Kälteschutz-Container samt Betten und Matratzen sowie Sanitäranlagen unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Finanziell unterstützt wird das Angebot von der Sparkasse Hanauerland, der Volksbank Bühl sowie von der Lotte-und-Dieter-Klumpp-Stiftung. Das Landratsamt bezuschusste die beim Diakonischen Werk angesiedelte Personalstelle für den Schließdienst.




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