Bundesverdienstkreuz für Eva Mendelsson
Ehrung einer besonderen Frau

Eva Mendelsson (3. v. l.) kurz nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im Offenburger Salmen: Volker Schebesta (v. l.), Otto, David und Dalia Mendelsson sowie Oberbürgermeister Marco Steffens | Foto: gro
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  • Eva Mendelsson (3. v. l.) kurz nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im Offenburger Salmen: Volker Schebesta (v. l.), Otto, David und Dalia Mendelsson sowie Oberbürgermeister Marco Steffens
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Offenburg (gro). Es ist ein Schreckensszenario, das Marco Steffens, Oberbürgermeister von Offenburg, im Salmen entwirft: Ein aufgebrachter Pöbel, der eine Kirche schändet, Nachbarn und Freunde, die den Tod fordern, die Polizei kommt nicht den Opfern, sondern den Tätern zur Hilfe. "Die Stadt, von der ich gesprochen habe, ist Offenburg, die Menschen waren Offenburger. Die Kirche war eine Synagoge und es war hier, genau in diesen Räumlichkeiten. Es war, Frau Mendelsson, ihre Kirche", so ein hörbar bewegter Oberbürgermeister zu Eva Mendelsson, geborene Cohn, deren Mutter und Schwester in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten gestorben waren. Die kleine Eva Cohn überlebte mit ihrer jüngeren Schwester nur, weil dank einer Hilfsorganisation die Flucht aus Gurs in Frankreich in die Schweiz gelang. Die damals Neunjährige hatte auf einen Schlag einen Teil ihrer Familie, ihre Freunde und ihre Heimat verloren. Über Umwege konnte sie erst nach dem Krieg zu ihrem Vater nach England gelangen.

Doch trotz aller Gräuel, die sie erfahren hatte, kam sie als Erwachsene zurück nach Offenburg und erzählte in den Schulen von dieser Zeit, von dem Grauen, das sie erlebt hatte. Über vier Jahrzehnte hinweg setzte sich die heute 91-Jährige dafür ein, dass sich so etwas nie mehr wiederholen kann. Am Montag, 9. Mai, wurde ihr im Salmen für dieses Engagement das Bundesverdienstkreuz verliehen. "Wir machen den Versuch, Sie zu ehren, aber im Grunde ist es eine Ehre für uns, dass sie diese Ehrung annahmen", stellte Steffens fest. "Danke für ihre Verbundenheit mit Offenburg und was sie für die Menschen der Stadt getan haben."

Nicole Kränkel-Schwarz, Leiterin des Seminars für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte Offenburg, hatte, beeindruckt von der Arbeit von Eva Mendelsson, sie für das Bundesverdienstkreuz in einem Brief an den Bundespräsidenten mit Erfolg vorgeschlagen. Die Auszeichnung übergeben wurde ihr von Staatssekretär Volker Schebesta. "Es ist wichtig, dass wir die Erinnerung an die Geschichte des Holocausts wach halten, damit sich diese Schändlichkeit nicht wiederholt", so Schebesta. "Seid keine Mitläufer, bleibt stark, widersetzt Euch", zitierte er aus den Vorträgen vor Schülern Eva Mendelsson. 

Anfang der 1960er-Jahren kehrte sie erstmals nach Deutschland zurück und musste feststellen, dass wenig Interesse an der Geschichte der Verfolgten bestand. "Sie hätten allen Grund gehabt, Abstand zu nehmen und sich nicht weiter zu engagieren", so Schebesta. Doch Eva Mendelsson entschied sich anders: 1980 stellte sie sich für Zeitzeugengespräche zur Verfügung und hat seitdem viele Male Offenburg besucht. "Sie haben die Hand ausgestreckt", betonte Schebesta. "Und sie haben viele junge Menschen dazu inspiriert, sich selbst mit dem Thema zu beschäftigen und selbst Dinge auszugraben."

Zum ersten Mal wurde Eva Mendelsson von ihrem Sohn David mit dessen Frau und Sohn Otto nach Deutschland begleitet. Die Familie nahm gemeinsam mit ihr die Auszeichnung entgegen, nachdem Volker Schebesta ihr das Bundesverdienstkreuz angesteckt hatte. In ihren Dankesworten erinnerte sie an ihre Mutter, in dem sie aus dem Gedicht von Paul Fleming "An Deutschland" die ersten drei Strophen zitierte. "Damals habe ich das Gedicht und meine Mutter noch nicht verstanden, heute schon. Denn Heimat war für mich das, wo ich gerade war." Ein wenig habe sie die Hoffnung gehabt, in Offenburg die verlorene Heimat wiederzufinden, aber feststellen müssen, das dies unmöglich war. "Ich konnte am Ende Offenburg besuchen, aber nicht hier leben." Sie habe bei ihren Besuchen viele Menschen getroffen, aus denen sich manche Freundschaft entwickelt habe. Doch am Ende sei ihr klar geworden: "Deutschland kann nicht meine Heimat sein, so wie es England nie geworden ist." Sie sei nun müde geworden und glaube nicht, dass sie der Jugend noch etwas geben könne.

Zum Abschluss bat sie Oberbürgermeister Steffens, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen - eine Bitte, die siegerne erfüllte. Sie wurde mit stehenden Ovationen verabschiedet.

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