Angedacht: Gerhard Bernauer
Ein offenes Ohr für den Gegenüber

Gerhard Bernauer | Foto: privat

Das kennen Sie vielleicht auch: Man sitzt zusammen, tauscht Erinnerungen aus und vieles wird wieder ganz lebendig. Warum ist das so? Weil wir Menschen erzählende Wesen sind. Schon als Kinder hungern wir nach Geschichten, die uns jemand erzählt und als Erwachsene freuen wir uns, wenn wir gemeinsame Erlebnisse untereinander austauschen können: nach einem Film- oder Konzertbesuch, während eines Essens, bei einer Wanderung oder bei anderen Gelegenheiten. Da kommt jemand ganz aufgeregt auf mich zu und sagt: "Das muss ich dir unbedingt erzählen..." oder umgekehrt, ich erlebe jemand so und sage zu ihm: "Komm, setz' dich, hier ist ein Stuhl, erzähle, was passiert ist..."

Das Erzählen tut gut

So sind wir: bedürftige Wesen, denen das Erzählen gut tut. Oder wir leiden sehr darunter, wenn diese Möglichkeiten eingeschränkt sind, wenn Abstandsregeln einzuhalten sind, die das Erzählen behindern oder gar unmöglich machen. Oder wenn niemand da ist, der uns zuhört. Dann fehlt uns etwas ganz Wesentliches.

Wenn Jesus vom Reich Gottes spricht, hat er keine Gottesbeweise vorgelegt; er erzählt spannende Geschichten aus dem Alltag der Menschen und diese haben sie einander weitererzählt. So ist das Evangelium entstanden, das wir sonst so nicht hätten: randvoll mit hoffnungsvollen Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben und Gott mit ihnen. Sonntag für Sonntag hören wir davon in unseren Gottesdiensten.

Doch Hören allein genügt nicht, wir brauchen auch das Gespräch darüber, das Einander-Erzählen, was mir, was dir wichtig ist. Am heutigen katholischen Welttag der sozialen Kommunikationsmittel wünsche ich allen Leserinnen und Lesern einen Menschen, der ein offenes Ohr für sie hat. Und Gott hat ein offenes Ohr für uns. Und ich kann mir selbst überlegen, wer sich über einen Anruf von mir freuen würde.
Gerhard Bernauer, Pfarrer i. R., Offenburg

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