Carmen Stürzel ist Gründerin des Vereins Lesewelt Ortenau
Mit einem Näschen für tolle Ideen ausgestattet

Die Offenburgerin Carmen Stürzel brachte die Idee des Vorlesens nach einem Aufenthalt in den USA mit nach Deutschland. Foto + Titelseite: Michael Bode
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Offenburg. Manchmal kommen auch richtig gute Ideen und Trends aus den USA. Eine davon hat Carmen Stürzel, Vorstandsvorsitzende des Vereins Lesewelt Ortenau, über den großen Teich mitgebracht. "Ich war Mitte der 80er-Jahre für zwei Jahre als Mitglied der 'Aktion Sühnezeichen Friedensdienste' in den USA. In Pittsburgh habe ich dann das Projekt 'Beginning with Books' kennengelernt. Dort las eine Freundin immer einem kleinen Jungen in einer Bibliothek ehrenamtlich Geschichten vor", erzählt Stürzel über die Anfänge eines Projekts, das ihr Leben in eine neue Richtung lenken sollte. Dass die Idee überhaupt das Licht der Welt erblickte, ist ihrem Engagement zu verdanken und natürlich auch dem Quäntchen Glück, das es braucht. "Ich fand die Idee einfach super und habe mir gedacht, dass dies auch etwas für Deutschland sein könnte", so Stürzel. Ihr Riecher ließ sie nicht im Stich. Denn die Körber-Stiftung schrieb einen "Transatlantischen Ideenwettbewerb USable" aus. Dabei wurden gute Ideen aus den USA gesucht, die auch in Deutschland gesellschaftlich etwas bewirken könnten. "Zu dieser Zeit war ich gerade auf Jobsuche und hatte Zeit", sagt Stürzel lächelnd.
Ihr Engagement überzeugte die Jury. Sie gewann den Hauptpreis, der mit 5.000 D-Mark dotiert war. "Das Schöne war, dass die Körber-Stiftung das Projekt weiter fördern und die Preisträger unterstützen wollte", so Stürzel. Ihr erste Vorlesestunde fand im Jahr 2000 in einer Kreuzberger Bibliothek in Berlin mit drei türkischen Vorschulkindern statt, wo sie damals lebte und wo die "Lesewelt" ihre ersten Gehversuche unternahm. "Die Kinder haben mich dann gefragt, ob ich denn auch wiederkomme." Und so kam nicht nur Carmen Stürzel wieder, sondern mit ihr über hundert Freiwillige, um Kindern vorzulesen. Wenn sie über diese Zeit spricht, merkt man sofort, dass sie in ihrem Element ist. Ihr Engagement und Herzblut für die Sache sind ansteckend.

Arbeit mit Menschen steht im Mittelpunkt

Für die gelernte Sozialpädagogin steht eigentlich vor allem die Arbeit mit Menschen im Mittelpunkt. "In der Anfangszeit musste ich aber vor allem administrative Aufgaben übernehmen", erzählt sie. Sie gründete einen Verein, bei dem sich dann selber anstellen konnte. Und dass sie nicht nur mit Menschen kann, sondern eben auch organisieren, beweist die bundesweite Erfolgsstory der "Lesewelt". Denn schnell gründeten sich in anderen Städten Initiativen, die sich an dem Modell der "Lesewelt" orientierten. Auch die Kampagne "Deutschland liest vor" unter der Schirmherrschaft von Doris Schröder-Köpf, Ehefrau des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, folgte dem Vorbild der "Lesewelt". "Die Entwicklung ist wirklich unglaublich", resümiert Carmen Stürzel stolz.
2005 zieht es sie zurück in ihre Heimatstadt Offenburg, wo sie dann den Verein "Lesewelt Ortenau" gründet und wo die Anfänge ihrer Leseleidenschaft liegen. "Die Bücherei war für mich immer ein faszinierender Ort", erklärt Stürzel. An ihr erstes Buch kann sie sich auch noch erinnern: "Michel aus Lönneberga" von der schwedischen Autorin Astrid Lindgren. Kinderbücher liest sie heute neben vielen anderen Genres immer noch. "Lesen ist unheimlich entspannend und man kann in entfernte Welten abstauchen", so Stürzel. Aber auch in ihrem Garten oder beim Klavierspielen kann sie richtig abschalten.
Für Kinder sei das Vorlesen unheimlich wichtig zur Sprach- und Fantasieentwicklung: "Das hat eine große Bedeutung, weil es grundlegend und nachhaltig ist. Außerdem kommt man miteinander ins Gespräch, über die Geschichte hinaus. Lesen ist ein wichtiges Kommunikationsmittel." Etwas Nachhaltiges zu tun, das Substanz hat, ist ihr wichtig, nicht nur in ihrem Beruf, weshalb sie sich auch für den Unverpacktladen in Offenburg engagiert.
Stürzel ist ein positiv eingestellter Mensch. Selbst der Coronakrise versucht sie etwas Gutes abzugewinnen. "Wenn der gewohnte Alltag nicht mehr da ist, dann entstehen auch Freiräume für neue Ideen." So entwickelte sie mit ihren Kollegen den Verleih von Erlebnistaschen, die individuell und thematisch zusammengestellt werden. "Das kommt sehr gut an." Aber das ist bei dem, was Carmen Stürzel anpackt, auch nicht wirklich verwunderlich. M. Kerber

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