Jahresbericht 2019 des Landgerichts Offenburg
Emotional diskutierte Urteile

Foto: Glaser
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Offenburg (ag). Nachdem aufgrund der Corona-Pamdemie auch bein Landgericht in Offenburg vom 16. März bis zum 4. Mai die Zeichen auf Notbetrieb standen, läuft inzwischen alles wieder fast normal. Fast, weil wie überall Abstandsregelungen eingehalten werden müssen, Trennwände sind in den Gerichtssälen aufgestellt und es gibt Desinfektionsmittel an den Eingängen. Das sorgt für zusätzliche Raumnot. Solche herrschte schon vorher. Für einen notwendigen Neubau fehlt laut Landgerichtspräsident Christoph Reichert jedoch das Geld und möglicherweise auch der Wille.
Beim Pressegespräch zum Jahresbericht 2019 gingen der Präsident sowie Richterin und Pressesprecherin Eva Weckert unter anderem auf Urteile ein, die besondere Beachtung in der Öffentlichkeit fanden. Gegen das Urteil im Juli vergangenen Jahres im sogenannten Ortenberger Kreiselmord hat die Verteidigung der beiden Angeklagten Berufung eingelegt. Ob dieser stattgegeben wird, ist noch offen. Als besonders schwierig bezeichnete Eva Weckert die Verfahren im Fall des getöteten Offenburger Arztes und der "Prügelattacke" auf einen Rentner, der inzwischen verstorben ist. In beiden Fällen wurden die Täter als schuldunfähig eingestuft und kamen in Maßregelvollzug. Eva Weckert äußerte Verständnis dafür, dass aufgrund der Schwere der Taten und ihrer Folgen die Urteile teils sehr emotional diskutiert wurden. Gleichzeitig gab sie aber zu bedenken: Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus "ist eine wahnsinnig starke Maßnahme". Wenn der Betroffene nicht therapierbar ist, bedeutet das ein Leben lang in der Psychiatrie: "Das ist nicht schöner als der Knast, ich würde sagen schlimmer."
Was vor allem beim Jahresbericht 2019 auffällt, ist der starke Anstieg von Neueingängen in Zivilsachen. Im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe, zu dem das Landgericht Offenburg zählt, gab es im vergangenen Jahr fast 4.000 Fälle mehr. Das ist laut Landgerichtspräsident Dr. Christoph Reichert unter anderem den Klagen gegen den VW-Konzern im Zusammenhang mit dem Abgasskandal geschuldet. Allein in Offenburg gab es 301 VW-Verfahrens-Eingänge, davon 104 im Dezember. Insgesamt gab es beim Landgericht Offenburg 1.478 Neueingänge in Zivilsachen. Davon konnten 1.220 erledigt werden. "Das hängt mit dem Personaldeckungsgrad zusammen", so Eva Weckert. Dieser liegt in der Zivilabteilung gerade einmal bei 87 Prozent, bei der Strafabteilung dagegen bei 102 Prozent. 2018 lag sie bei 99 Prozent im Zivilbereich und 76 Prozent bei den Strafsachen.
Die durchschnittliche Verfahrensdauer bei Zivilsachen in erster Instanz lag 2019 bei 8,7 Monaten. Das liegt unter dem Schnitt des OLG-Bezirks, aber über dem Landesschnitt in Baden-Württemberg.
Bei den Strafsachen in erster Instanz – Erwachsene – gab es 36 Neueingänge und 35 Erledigungen. Hier lag die Verfahrensdauer bei 8,6 Monaten und damit höher als im OLG-Bezirk mit 6,3 Monaten und im Land mit 5,7 Monaten. Beim Schwurgericht, das bei besonders schweren Straftaten zuständig ist, gab es drei Neueingänge, insgesamt wurden neun, also auch ältere Verfahren, erledigt. Drei Verfahren waren Ende 2019 noch nicht abgeschlossen. 189 Neueingänge gab es in Erwachsenenstrafsachen in zweiter Instanz, also Berufungsverfahren. 165 wurden erledigt, der Endbestand lag bei 144. Die Verfahrensdauer lag im Schnitt bei 6,5 Monaten – OLG-Bezirk 6,3 Monaten, Land 4,9 Monaten. Die Kleine Strafvollstreckungskammer, die sich mit Anträgen von Insassen der Justizvollzugsanstalten beschäftigt, hatte 889 Neueingänge.

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