Fußnote, die Glosse im Guller
Es geht um die Leberwurst

Normalerweise findet sich während der Fastenzeit weder Fleisch noch Wurst bei mir zu Hause. Schlicht deshalb, weil ich alle Jahre wieder von Aschermittwoch bis Ostern darauf verzichte. Das tue ich in diesem Jahr auch. Trotzdem habe ich jetzt ein paar Dosen Leberwurst und einige Landjäger eingelagert. Meine Horrorvorstellung: Die Fastenzeit ist vorbei und es gibt einen Leberwurst-Versorgungsengpass.

Hat die keine andere Sorgen?

Nun mag sich mancher fragen: Hat die Frau denn keine andere Sorgen? Natürlich habe ich die! Ich sorge mich riesig um meine und die Gesundheit anderer, außerdem um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus. Hierzu sind meine Möglichkeiten der Einflussnahme jedoch beschränkt. Was ich allerdings tun kann, das ist sicherzustellen, dass ich am Ostersonntag zum Frühstück nach Wochen der Enthaltsamkeit mal wieder in einen Landjäger beißen kann. Auch die kleinen Dinge zählen.

Alles oder nichts

Das sieht mancher anders. Mit Kleinigkeiten geben diese Menschen sich grundsätzlich nicht ab. Alles oder nichts ist ihre Devise – und das gilt keineswegs nur in Zeiten von Corona. So wird in Sachen Klimaschutz gerne argumentiert: "Es bringt doch nichts, wenn ich in Offenburg Strom spare, solange in China unzählige Kohlekraftwerke die Luft verpesten." Oder unlängst erklärte mir jemand: "Damit das wirklich was bringt, müsste ich zweimal die Woche Walken gehen. Ich habe aber nur einen Abend Zeit." Deshalb lässt er es ganz und treibt überhaupt keinen Sport.

Eine Frage des Prinzips

Früher dachte ich immer, das seien nur lahme Ausreden. Doch wurde ich wortreich eines Besseren belehrt. Offensichtlich handelt es sich vielmehr um eine Frage des Prinzips charakterstarker Persönlichkeiten. "Entweder mache ich etwas richtig oder ich lasse es ganz", hat mir der erwähnte Sportsfreund um die Ohren gehauen.

Freuen auf kleine Dinge

Nun ist das sicher eine bewundernswerte Charaktereigenschaft. Trotzdem sehe ich nicht im Traum ein, mich doof zu fühlen, weil ich einmal die Woche Walken gehe oder beim Verlassen eines Raumes das Licht lösche. Außerdem erlaube ich mir trotz allen Corona-Schreckens, mich mit desinfizierten Händen auf dem häuslichen Sofa auf kleine Dinge zu freuen. In diesem Fall ist das Leberwurst an Ostern.
Anne-Marie Glaser

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