Gefahr Cybermobbing
Prävention an Schulen

Beleidigende Kommentare sind schnell verschickt. | Foto: set
  • Beleidigende Kommentare sind schnell verschickt.
  • Foto: set
  • hochgeladen von Daniela Santo

Ortenau (ds/rek). Nach dem Suizid einer Berliner Grundschülerin ist das Thema Mobbing in aller Munde. Angepöbelt – so die wörtliche Übersetzung – wird aber längst nicht mehr nur auf dem Schulhof, sondern immer mehr in der virtuellen Welt. "Es benötigt nur einen Klick, dann sind beleidigende Kommentare veröffentlicht oder per SMS versendet. Dazu muss man sich noch nicht einmal mit dem realen Gegenüber konfrontieren, sondern kann in der schützenden Anonymität verweilen", erläutert Uwe Leest, Vorsitzender des Bündnisses gegen Cybermobbing e. V., im Gespräch mit der Stadtanzeiger-Redaktion. Das Opfer hingegen habe keine Möglichkeit, sich zu schützen. Die Tatsache, dass verschiedene Täter praktisch rund um die Uhr aktiv sein könnten, ohne dabei im direkten Kontakt zu dem Opfer zu stehen, mache das Cybermobbing so gefährlich. Hinzu käme, dass Eltern, die nicht mit den neuen Technologien aufgewachsen seien, sich meist überfordert fühlten.

Cyberlife-Studie

"Schon unsere Cyberlife-Studie 2016 hat gezeigt, dass 90 Prozent der Eltern der Ansicht sind, dass die Anonymität im Netz Phänomene wie Cybermobbing begünstige. Dennoch überprüfen nur 17 Prozent der Eltern, was ihre Kinder online machen", so Leest. Auch fühlten sich laut der Studie 44 Prozent der Eltern nicht ausreichend informiert, was auf fehlende Eigenaktivität, aber auch auf mangelhafte Aufklärung durch die Schulen zurückzuführen sei. "Eltern wünschen sich deshalb durchgängig mehr institutionelle Aufklärung und Prävention", erläutert Uwe Leest. Wie geht man in den Lahrer Schulen mit dem Thema Cybermobbing um? Wir haben nachgefragt und erfahren, dass man hier bereits in allererster Linie auf Prävention setzt – in der Grundschule angefangen. 

Prävention an Schulen

So finden an der Luisenschule in den Klassen zwei bis vier je nach Bedarf Stunden zum Thema Medien-, Gewalt- oder Mobbingprävention statt, wie Sozialarbeiterin Birgit Volk berichtet. Im vergangenen Schuljahr hat man am Präventionsprogramm „Echt dabei – Gesund groß werden im digitalen Zeitalter“ teilgenommen. "Echte Cybermobbingvorfälle gab es bei uns bisher nicht, nur Vorstufen davon, Beleidigungen und Streitereien, die über Whatsapp ausgetragen wurden. Durch schnelles Eingreifen und Gespräche mit den Kindern und Eltern konnten wir diese bisher immer konstruktiv lösen", berichtet Volk.

Gravierende Fälle

Sehr gravierende Fälle von Cybermobbing sind dagegen Gerhard Ziaja-Le Duff, Schulsozialarbeiter an der Friedrichschule, einer Gemeinschaftsschule, bekannt. Näher darauf eingehen möchte er in der Öffentlichkeit jedoch nicht. Reagiert habe man etwa mit Elterngesprächen, Runden Tischen und der Vermittlung an die Psychologische Beratungsstelle sowie die Polizei. "Selbstverständlich war für mich, jetzt den Fall des elfjährigen Mädchens zu thematisieren – im Rahmen des sozialen- und des Kompetenztrainings der zehnten Klasse", so Ziaja-Le Duff.

Klassenrat

Immer wieder wird auch Michael Müller, Schulsozialarbeiter an der Theodor-Heuss-Werkrealschule und am Scheffel-Gymnasium, mit Mobbing konfrontiert. "Streitigkeiten werden in unterschiedlichen sozialen Netzwerken ausgetragen, oft in Gruppen, so dass andere Mitleser, meist Klassenkameraden, die Streitigkeiten mitbekommen. Der Streit landet so am nächsten Tag in der Schule", berichtet Müller. Er weiß, dass Hemmungen zu beleidigen und andere zu diffamieren beim  Schreiben geringer sind, wenn kein direktes Gegenüber im Raum ist. "Wir haben es auch mit anonymen Fakeaccounts zu tun, mit denen andere Mitschüler beleidigt oder bloßgestellt werden. Das ist für die Beteiligten sehr belastend, da sie nicht wissen, wer es alles von der Schule gelesen hat", so Michael Müller. Präventiv arbeite er vor allem mit dem Klassenrat: "Hier lernen die Schüler nicht nur, wie Probleme angesprochen und nach Lösungen gesucht wird, auch akute Streitigkeiten, immer häufiger aus den sozialen Netzwerken, können so besprochen werden."

Prävention in Gengenbach

Im Martha-Schanzenbach-Gymnasium in Gengenbach wurde der tragische Vorfall in Berlin weder von Seiten der Schüler noch der Lehrer aktuell diskutiert. Allerdings bietet die Schule Präventionsmaßnahmen an. "In der Klasse 5 wird im Fach Medienbildung der Umgang mit den sozialen Medien thematisiert", erklärt Schulleiter Stefan Feld auf Anfrage. "Außerdem haben wir in Gengenbach in Klasse 5 und 6 das Fach Methoden und Soziales, in dem ebenfalls das Miteinander im Internet und in Messenger-Diensten intensiv besprochen wird." Seit Jahren würde die Schule zusätzlich Präventionsangebote in Zusammenarbeit mit der Polizei anbieten. "Dies beinhaltet auch einen Informationsabend für die Eltern", betont Feld.

Dem Schulleiter ist aber bewusst, dass es trotzdem Beschimpfungen von Mitschülern, aber auch Lehrern über Whatsapp, Tellonym oder Instagram gebe. "In anonymen Fällen kontaktieren wir die Polizei und versuchen, die Verursacher zu ermitteln", so Feld. Dies könne in Form einer Strafanzeige geschehen. In bekannten Fällen würde die Schule mit pädagogischen Maßnahmen reagieren, die dem Einzelfall angemessen ausfielen.

Ob und wie erfolgreich die Maßnahmen sind, ist für den Schulleiter des Martha-Schanzenbach-Gymnasiums nicht immer nachvollziehbar. "Es ist schwer, die Kinder davor zu beschützen, da wir als Schule ja keinen direkten Zugriff haben", erklärt er das Problem. "Allerdings haben wir das Thema Mobbing, welches sich meiner Erfahrung heutzutage fast immer im Zusammenhang mit Cybermobbing darstellt, ganz oben auf unsere Agenda gesetzt. Das heißt, wir entwickeln mit unserem Beratungslehrerteam Konzepte, wie wir als Kollegium professionell auf diese immer häufiger auftretenden gruppendynamischen Prozesse reagieren können, um bei den Betroffenen zumindest für etwas Entlastung zu sorgen." Dies sei aber bereits vor dem Vorfall in Berlin in Gang gesetzt worden. Sein Rat an die Betroffenen: "Sie sollten sich unbedingt jemanden anvertrauen. Allein schafft man es kaum, aus dem Fokus des Mobbings zu entkommen."

Regelmäßig Präventions- und Informationsveranstaltungen

An der Willstätter Moscherosch-Schule, einer Gemeinschaftsschule, finden ab der fünften Stufe regelmäßige Informations- und Präventionsveranstaltungen sowohl für Schüler als auch für Eltern statt, berichtet der Schulsozialarbeiter Alois Merkle. Dazu kommen die entsprechenden Experten des Polizeipräsidiums und der Kommunalen Kriminalprävention (KKP) an die Schule. Dennoch "gibt es immer wieder Fälle, bei denen über soziale Medien andere Schüler beleidigt werden", so Merkle.

Werden die Fälle bekannt, werden die betroffenen Schüler aufgefordert, etwa eine Whatsapp-Gruppe zu verlassen und die anderen Schüler sollten die entsprechende Nummer blockieren. "Falls die Schüler von unserer Schule sind, findet ein Gespräch mit den Beteiligten statt", erläutert Merkle das Vorgehen: "Je nach Intensität wird auch die Schulleitung einbezogen." Neben den Eltern der Schüler bestehe auch die Möglichkeit, die Experten von Polizei oder KKP einzubeziehen.

An der Rheinauer Werkrealschule ist der Fall der Berliner Schülerin Thema geworden, berichtet Pascal Poußet, Schulsozialarbeiter an der Realschule und dem Anne-Frank-Gymnasium in Rheinau. Er greife selber zudem das Thema in verschiedenen Klassen immer wieder auf. Die Folgen und Hilfesysteme für Notfälle würden dabei besprochen.

Auch an Rheinauer Schulen werden die Fachleute der Polizei und der KKP für Veranstaltungen einbezogen. "Es ist vor allem für Schüler wichtig zu sehen, welche Konsequenzen ihnen auch rechtlich drohen", betont Poußet. "Der Bedarf für für dieses Thema hat in der Klasse fünf schon deutlich zugenommen", registriert Poußet die Fälle.

Als präventive Maßnahme ist zudem der Jugendtreff in diese Debatten einbezogen. Zudem gibt es die kurzen Wege zum Schulsozialarbeiter", betont Poußet seine Arbeit, der etwa auch in Pausen den Kontakt zu chattendenden Schüler sucht. "Ohne Eltern funktioniert die Prävention nicht", sieht Poußet auch die Verantwortung der Erziehungsberechtigten. So sei etwa Whatsapp erst ab 16 Jahren zugelassen. Poußet: "Eltern sollten einen Überblick über die Aktivitäten ihrer Kinder haben und diese auch kontrollieren". Opfer solchen Mobbings sollten auf jeden Fall rechtzeitig eine Vertrauensperson einbeziehen, betonen Poußet und Merkle.

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.