Eine Frage, Herr Gall
Was macht das Leben ihrer Großmutter besonders?

Dr. Wolfgang Gall | Foto: Wilfried Beege

Offenburg. Wolfgang Gall, Historiker und ehemaliger Leiter des Stadtarchivs und Museums Offenburg, hat ein Buch über das Leben seiner Großmutter geschrieben. Im Gespräch mit Christina Großheim erklärt er, wie es dazu gekommen ist.

Wie ist die Idee zu einem Buch über Ihre Großmutter entstanden?
Beim Auflösen meines Elternhauses entdeckte ich in einer Kommode zahlreiche Briefe, Fotos und Ansichtskarten meiner Großmutter Sofie Wildpreth. Nach der Sichtung der Dokumente fand ich heraus, dass sie vor ihrer Heirat 1923 ein mir unbekanntes Leben führte. Es war so außergewöhnlich und spannend, dass ich mich entschloss, darüber ein Buch zu schreiben.

Was macht das Leben Ihrer Großmutter so besonders?
Ich kannte meine 1985 verstorbene Großmutter als liebenswerte und resolute ältere Dame. Als junge Frau scheint sie sehr selbstbewusst und zielstrebig gewesen zu sein. Ihre Mutter wollte sie gleich nach Abschluss der Klosterschule verheiraten. Die 18-jährige Sofie entschied sich aber, in Rastatt und Berlin als Kindermädchen und Gesellschafterin in Stellung zu gehen. Mitten im Ersten Weltkrieg kehrte sie 1917 nach Offenburg zurück, trat eine Stelle bei der Offenburger Staatsanwaltschaft an und wurde verbeamtet. Wie sie ihr Leben in einer Zeit, in der die Handlungsspielräume von Frauen gesellschaftlich sehr eingeschränkt waren, selbstbestimmt organisieren konnte, ist bewundernswert.

Was hat Sie beim Sichten des Materials am meisten beeindruckt?
Ihr Mut, ihre Zielstrebigkeit, ihre Offenheit. Auch, wie sie es schaffte, die „große Geschichte“ zu streifen. 1921 begleitete sie den Staatsanwalt bei den Ermittlungen gegen zwei flüchtige Rechtsradikale, die bei Bad Griesbach den Politiker Matthias Erzberger ermordet hatten. Ich entdeckte ein Zeitungsfoto, auf dem sie am Tatort zu sehen ist. Besonders zu erwähnen ist, dass Sofies persönlicher Aufbruch mit ihrer Heirat abrupt endete. Aufgrund des sogenannten „Beamtinnenzölibats“ musste sie ihre Beamtenstelle aufgeben. Verheiratete Frauen durften damals nicht als Beamtin arbeiten.

Was können Frauen heute von Sofie lernen?
Selbstbewusst ihren Weg zu gehen und Träume wahr werden zu lassen, ungeachtet aller Schwierigkeiten und Hindernisse.

Wird es Lesungen in der Region geben?
Ja, am Dienstag, 5. April, um 19.30 Uhr im Museum im Ritterhaus. Der Historiker Volker Ilgen wird aus dem Buch lesen und mit mir in einen Dialog gehen. Weitere Veranstaltungen sind in Planung.

Das Buch ist im Buchhandel und im  Museum im Ritterhaus erhältlich.

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.