Ausstellung in Stuttgart
Reine Geschmackssache

Porzellanplatte mit Holzmaserungsdekor aus der "Sammlung der Geschmacksverirrungen, Bayerische Porzellanmanufaktur Nymphenburg, München, um 1890 | Foto: Landesmuseum Württemberg/Hendrik Zwietasch
  • Porzellanplatte mit Holzmaserungsdekor aus der "Sammlung der Geschmacksverirrungen, Bayerische Porzellanmanufaktur Nymphenburg, München, um 1890
  • Foto: Landesmuseum Württemberg/Hendrik Zwietasch
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Über Geschmack lässt sich streiten? Dieser Meinung war Gustav E. Pazaurek, von 1906 bis 1932 führender Kopf am ehemaligen Stuttgarter Landesgewerbemuseum, definitiv nicht.

Er vertrat die Ansicht, dass Geschmack durch gute und schlechte Vorbilder geprägt werden könne. Daher legte er ab 1909 die vielbeachtete „Sammlung der Geschmacksverirrungen“ an. Mit ihr führte er drastisch vor, was er für den falschen Geschmack hielt. Dieser Sammlung sowie den positiv besetzen Vorbildersammlungen des Landesgewerbemuseums waren die gigantischen Muster- und Vorbildersammlungen der „Centralstelle für Handel und Gewerbe“ vorangegangen, deren Aufgabe es seit 1848 war, in Württemberg den dramatischen Strukturwandel von der Agrarwirtschaft zur Industrialisierung voranzutreiben. Nur wenn sich Herstellungstechnik, Form, Material und Funktion auf „richtige“ Weise verbanden, hatten die in Württemberg hergestellten Handelsgüter eine Chance im internationalen Wettbewerb.

Aus den Muster- und Vorbildersammlungen ging das Landesgewerbemuseum hervor, das 1896 einen repräsentativen Neubau erhielt, der den hohen Stellenwert des Museums augenfällig macht – das heutige Haus der Wirtschaft. Aus Anlass des 125-jährigen Jubiläums dieses Gebäudes zeigt das Landesmuseum Württemberg im Alten Schloss eine Ausstellung zu dessen Sammlungen in den ersten Jahrzehnten.

Im Ständesaal führen rund 70 Objekte auf 120 Quadratmetern die bewegte Geschichte des Ringens um die gute Form, um Geschmack und Stilbildung als museale und damit gesellschaftliche Aufgabe vor Augen. Mit Objekten aus den Muster- und Vorbildersammlungen, darunter Grafik, Textilien, Gläser, Silber und Spielzeug, werden Geschmack und Geschmacksurteil am Beispiel der Vorbildersammlung und ihrer Antithese, der Sammlung von Geschmacksverirrungen, thematisiert. Hierbei kommt die wirtschaftliche Dimension des “richtigen“ Geschmacks ebenso in den Blick wie die soziologische, mit der gesellschaftliche Zugehörigkeit oder Ausgrenzung definiert wird. Aber auch prämierte Highlights, mit denen sich Württemberg auf den Weltausstellungen zeigte, machen deutlich, wie über die jeweils aktuelle Antwort auf die Geschmacksfrage entschieden wurde.

Info: Die Ausstellung „GeschmacksSache. Vorbildliches Design um 1900“ im Landesmuseum Württemberg, Ständesaal im Alten Schloss in Stuttgart, ist bis zum 1. Mai zu sehen. Öffnungszeiten sind von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, montags geschlossen, außer an Feiertagen. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen gibt es unter landesmuseum-stuttgart.de.

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