Im Gespräch mit Dr. Steffen Auer
Am Ende des Tages sind das nur Spekulationen

Dr. Steffen Auer.  | Foto: Foto: Michael Bode
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Großbritannien stimmt am morgigen Donnerstag über den Verbleib in der Europäischen Union oder den Austritt (Brexit)
ab. Daniel Hengst sprach mit Dr. Steffen Auer, Präsident der IHK
Südlicher Oberrhein, über mögliche Folgen.

Welche wirtschaftliche Bedeutung hat der Absatzmarkt Großbritannien für die Ortenau und Südbaden?

Großbritannien ist einer der sechs großen Absatzmärkte für baden-württembergische
Produkte, neben den USA, Frankreich, China, Schweiz und den
Niederlanden. Im Jahr 2015 gingen 6,3 Prozent aller
baden-württembergischen Exporte (12 Milliarden Euro) ins Vereinigte
Königreich. Laut der baden-württembergischen IHK-Firmendatenbank haben
etwa 285 Unternehmen im Bezirk der IHK Südlicher Oberrhein
Länderverbindungen mit Großbritannien, diese Zahl ist aber nicht
abschließend.

Könnte es beim Import zu uns Schwierigkeiten geben?
Das kommt darauf an, welche Lösung die Verantwortlichen nach einem Brexit
für die wirtschaftspolitischen Beziehungen zwischen Großbritannien und
der Europäischen Union wählen. Im günstigsten Fall wären die Folgen eher
gering, im schlimmsten Falle würde Großbritannien nicht mehr von den
Regeln des freien Warenverkehrs, Dienstleistungs- und Personenverkehrs
im EU-Binnenmarkt profitieren, sogar Zölle könnten wieder eingeführt
werden. Die (Wieder-)Einführung von nichttarifären und tarifären
Handelshemmnissen würde natürlich auch Auswirkungen auf den Import von
Waren aus dem Vereinigten Königreich in die EU haben. Aber sollte es zu
entscheidenden Veränderungen kommen, dann sicher nicht von heute auf
morgen.

Wie könnten Probleme bei uns vor Ort durch den Brexit aussehen?
Das hängt, wie bereits gesagt, davon ab, welche Lösung die Verantwortlichen
wählen. Sollten tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse
wiedereingeführt werden, hätte das sicherlich mittel- bis langfristige
Auswirkungen sowohl auf nach Großbritannien exportierende Betriebe sowie
die Zulieferbetriebe, beispielsweise im Bereich der Automobilindustrie
oder Maschinenbauindustrie, als auch auf aus Großbritannien
importierende Betriebe. Unter Umständen wäre auch die
Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht mehr gewährleistet. Das schafft
beispielsweise Probleme im Falle einer Entsendung von Arbeitnehmern.
Hinzu käme möglicherweise auch eine Wiedereinführung der Visumspflicht
für EU-Bürger, die nach Großbritannien reisen wollen. Letztendlich käme
es bei einem Brexit zwangsläufig zu einer Verschiebung der politischen
Gewichte innerhalb der EU, wie Großbritannien als marktliberales
Gegengewicht zum regulierungsfreudigen Frankreich. Das hätte sicherlich
auch Folgen für Deutschland und seine Regionen. Zudem könnte ein Brexit
als Musterbeispiel für weitere besonders EU-kritische Länder dienen mit
derzeit nicht absehbaren Folgen. Am Ende des Tages sind das aber alles
nur Spekulationen. Wir wissen momentan einfach nicht, was passiert, da
noch nichts ausgehandelt ist.

Autor: Daniel Hengst

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