Artenvielfalt im Gewerbegebiet
Wie Bas.ic die Biodiversität nutzt

- Planer Jochen Bresch zeigt den Mitgliedern des bas.ic-Zweckverbands wie das "wilde Leben" im Industriegebiet.
- Foto: Stadt Kehl/Annette Lipowksy
- hochgeladen von Christina Großheim
Kehl (st) Es blüht in bunten Farben, es flattert, hüpft und krabbelt, sobald man die Wiesen mit dem hochstehenden Gras betritt. Wer erst noch Scheu hat, weil jeder Schritt ein Insekt das Leben kosten oder eine Blume knicken könnte, den beruhigt Jochen Bresch von der bhm Planungsgesellschaft: Bleibenden Schaden werden die Mitglieder des ba.sic Zweckverbands nicht anrichten. Was der Landschaftsarchitekt ihnen vorführt, ist intakte Natur mit Tieren und Pflanzen, die andernorts im Land bereits als ausgestorben oder zumindest als bedroht gelten. Zu verdanken ist die Renaissance der Neurieder Streuwiesen dem interkommunalen Gewerbegebiet ba.sic, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Kehl.
Was paradox klinge, sei dennoch Tatsache: Vor 20 Jahren, bei der Gründung des Gewerbegebiets „wurde alles richtig gemacht“, sagt Jochen Bresch und die Freude darüber steht ihm ins Gesicht geschrieben. Als die Stadt Kehl zusammen mit der Gemeinde Neuried die Flächen für das heute in weiten Teilen von renommierten Firmen bebaute und genutzte Gewerbegebiet geplant habe, sei nicht zwingend darauf geachtet worden, ob die Flächen bereits den beiden Kommunen gehörten – wie das sonst oft der Fall ist. „Für ba.sic hat man schlechte Äcker genommen und notfalls zugekauft“, erklärt Jochen Bresch den Mitgliedern der Gemeinderäte Kehl und Neuried sowie der Ortschaftsräte Goldscheuer und Altenheim, also Flächen, die auch der Landwirtschaft nicht fehlen würden.
Ausgleichsflächen
Weil die beiden Kommunen aber dennoch verpflichtet gewesen seien, Ausgleichsflächen zu schaffen, habe man sich darauf verständigt, die einst so artenreichen Neurieder Streuwiesen mit ihren historischen Gewannnamen wie Hetzlerau, Fohlenweide, Dreibauerngrund, Muhrauel und Mühlbachschließe wieder zum Leben zu erwecken. „So haben wir mit dem Ausgleich den maximalen Gewinn“, sagt Jochen Bresch. Um es vorwegzunehmen: Der Geißklee-Bläuling, die Zwitscherschrecke, der Wiesen-Wasserfenchel, der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling, die Prachtnelke und das Blutströpfchen seien selbst für unkundige Besucher schnell zu entdecken. Doch obwohl die Wiesen bereits ein Refugium für bedrohte Arten seien, sei die Entwicklung hin zur ursprünglichen Streuwiese auch nach 20 Jahren noch nicht abgeschlossen.
Um das der Gruppe verständlich zu machen, geht Jochen Bresch weit in die Geschichte zurück: Wie der Name Neuried schon sage, liegen die Flächen im Ried und seien von jeher feucht. Für diese aus landwirtschaftlicher Sicht recht nutzlosen Flächen sei den Bauern der Dünger zu wertvoll gewesen. Was dort gewachsen sei, sei nicht einmal als Viehfutter, sondern nur als Einstreu zu gebrauchen gewesen. Gemäht sei meist nur einmal im Jahr zu Beginn des Herbstes worden. Für die Tiere, deren Lebensraum die Wiesen gewesen seien, habe die Sense kaum eine Bedrohung dargestellt: Sie seien schneller gewesen und haben sich in Sicherheit bringen können. Mit jeder Mahd und damit der Entnahme der Pflanzen sei den Streuwiesen etwas Phosphat entzogen worden, so dass sich die Entwicklung zu Magerwiesen fortsetzt habe.
Nährstoffe aus der Luft
Doch mit fortschreitender Industrialisierung hätten sich die Pflanzen die Nährstoffe aus der nicht zuletzt durch den zunehmenden Verkehr stickstoffreichen Luft geholt. Außerdem habe der Einsatz von schweren Maschinen auf den bodenfeuchten Wiesen großen Schaden angerichtet. Auch nach 20 Jahren seien die Streuwiesen noch nicht so mager, wie sie sein sollten, erläutert Jochen Bresch seinen Zuhörern. Deshalb werde bereits im Mai zum ersten Mal gemäht. Dem zweiten Aufwuchs stehe dann mehr Licht zur Verfügung und die für die Streuwiesen typischen Kräuter, Blumen und Gräser könnten sich wieder entwickeln. Damit aber die Insekten ihren Lebensraum nicht verlieren würden, werde nur jeweils die Hälfte der Wiesen geschnitten.
Um die Streuwiesen beweiden zu lassen, seien die Flächen zu klein, erläutert Jochen Bresch auf Nachfrage: Für eine Kuh seien mindestens zwei Hektar notwendig. Rinder und Pferde wären geeignete Weidetiere, weil sie die Gräser fressen und die blühenden Pflanzen für die Insekten stehen lassen würden. Mit handgesamtem Saatgut würden zudem seltene Orchideen wieder angesiedelt. Manche Blühpflanzen würden zwölf Wochen brauchen, um sich zu entwickeln. Auf einer landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche hätten sie bei fünf bis sechs Mähdurchgängen keine Chance. Während auf solchen Flächen im Durchschnitt zwölf Arten vorkommen würden, seien es auf den Streuwiesen inzwischen 60, erklärt Jochen Bresch den Unterschied und pflückt als Anschauungsobjekt für die Zweckverbandsmitglieder ein Zittergras, das als Anzeiger für die Magerkeit einer Wiese gilt
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