Brief an den Gesundheitsminister
Drohende Lücke bei Kinderärzten

- Post aus dem Offenburger Rathaus gab es für Gesundheitsminister Manne Lucha.
- Foto: gro
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Offenburg (st) Die Stadt Offenburg wendet sich einem offenen Brief an den baden-württembergischen Gesundheitsminister Manne Lucha. Hintergrund für das Schreiben ist die angespannte kinderärztliche Versorgung in der Stadt – und die bevorstehende Schließung einer weiteren Kinderarztpraxis zum 1. Juli 2025. Bereits jetzt berichten viele Offenburg Familien von Schwierigkeiten, einen Termin bei einem Kinderarzt zu erhalten.
„Die derzeitige Bewertung der Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung bildet die Lage in Offenburg nicht realistisch ab“, so Oberbürgermeister Marco Steffens. „Stattdessen sehen wir eine klare Diskrepanz zwischen Statistik und tatsächlicher Versorgungssituation.“
Anpassung der Bedarfsrichtlinienplanung
In dem Schreiben bittet der Oberbürgermeister das Land, seine Verantwortung als Aufsichtsbehörde über die Kassenärztliche Vereinigung (KVBW) wahrzunehmen und sich für strukturelle Verbesserungen einzusetzen – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Unter anderem fordert die Stadt eine Anpassung der Bedarfsplanungsrichtlinie, flexiblere Niederlassungsbedingungen für Kinderärzte sowie verkürzte Verfahren zur Nachbesetzung von Kassensitzen.
„Wir wollen als Stadt unseren Beitrag leisten – aber wir können die Versorgungsstrukturen nicht ersetzen“, stellt Steffens klar. „Deshalb braucht es nun ein klares Signal aus Stuttgart, damit auch in Zukunft alle Kinder in Offenburg gut medizinisch versorgt sind.“ Denn so der OB in dem Brief: Die KVBW stufe die Region derzeit als überversorgt ein. Eine Einschätzung, die im Widerspruch stehe, zur erlebten Realität vieler Familien und auch der Kinderärzte vor Ort in Offenburg. Der Blick auf den gesamten Ortenaukreis - flächenmäßig der größte Landkreis Baden-Württembergs - werde den spezifischen Versorgungsherausforderungen des Oberzentrums Offenburg - auch im Hinblick auf dessen Einzugswirkung - nicht gerecht.
Regionale Besonderheiten
Er bittet den Gesundheitsminister sich auf Landes- und Bundesebene für eine Neubewertung der Versorgungsrichtlinien einzusetzen. Diese müsse insbesondere hinsichtlich einer differenzierten Betrachtung städtische Zentren innerhalb großer Flächenlandkreise überarbeitet werden. Es sollen regionale Besonderheiten festgestellt werden - und zwar aufgrund von Demografie oder Einzugsgebiet müssten diese dynamischer berücksichtigt werden. Zudem sollten die Rahmenbedingungen für Niederlassungen verbessert werden. Der Offenburger OB fordert Lucha auf, einen runden Tisch mit den ärztlichen Vertretungen einzuberufen, um neue Impulse und konkrete Maßnahmen der Unterstützung für die Niederlassung von Kinderärzten zu erarbeiten.
Zudem müsse das Verfahren zur Nachbesetzung verkürzt werden. Das aktuelle Verfahren dauere bis zu sechs Monate, das sei in Zeiten der angespannten ärztlichen Versorgungssituation deutlich zu lange. Zudem solle die Patientenverteilung fairer gestaltet werden. In Offenburg würden einzelne Praxen auf einem Kassensitz teils ein Vielfaches dessen, was andernorts geleistet werde, versorgen. "Die hohe Fallzahl je Sitz muss bei der Bewertung der Versorgungssituation stärker berücksichtigt werden", schreibt Steffens. Außerdem regt er flexiblere Regelungen bei Anstellungen an: Die Deckelung von Anstellungen von Fachärzten in Praxen führe in der Realität zu starken Verzerrungen. "Mehr Patienten bedeuten nicht zwingend mehr Mittel, um eine adäquate Versorgung zu gewährleisten", wirbt der OB für sein Anliegen. Durch formale Umverteilungen freiwerdender Kassensitze würden nict automatisch mehr Kinder versorgt, sofern diese Sitze einer bisher gedeckelten Praxis zugeschlagen würden. Für Offenburg sei dies strukturell besonders problematisch.
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