Ortenauer zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung ist erlaubt

Schwerkranke dürfen für einen Suizid jetzt Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen. | Foto: Parentingupstream/pixabay
  • Schwerkranke dürfen für einen Suizid jetzt Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen.
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Ortenau (ds). Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist verfassungswidrig. So urteilte das Bundesverfassungsgericht und gab damit Verfassungsbeschwerden von Sterbehilfevereinen, Schwerkranken und Ärzten statt. "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen", so der Senat. Allerdings sollen Sicherungsmechanismen wie etwa Aufklärungs- und Wartepflichten Missbrauch verhindern.

Joachim Indetzki

Joachim Indetzki, Fachanwalt für Medizinrecht in der Offenburger Kanzlei Fahr, Groß, Indetzki, bezeichnet das Urteil als weitgehend und mutig. "Das stärkt die Freiheitsrechte jedes Einzelnen", betont er. Was nun bleibe, sei die Frage, wo man die Grenze ziehe zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe. "Den Becher hinstellen ist möglich, aber was ist, wenn man hilft, diesen auch zum Mund zu führen", so der Fachanwalt.

Oliver Herrmann

Dr. med. Oliver Herrmann, erster Vorsitzender von "PalliMed" Ortenau e. V., betont dagegen: "Ich widerspreche diesem Urteil aus tiefster Überzeugung und hoffe, dass zumindest die Hürden für einen assistierten Suizid sehr hoch gehängt werden, um Missbrauch vorzubeugen. Die Möglichkeiten der modernen palliativmedizinischen Versorgung am Lebensende bei unerträglichem körperlichem, aber auch seelischem und psychischem Leiden seien in der Begründung des Urteils völlig außen vorgelassen worden. "Älteren, gebrechlichen und schwerstkranken Menschen wird aufgebürdet, sich mit der Möglichkeit eines assistierten Suizids auseinanderzusetzen, anderenfalls würden sie ja doch nur die Gesellschaft belasten, vor allem aber ihre Angehörigen. Zynisch gesprochen: Sozialverträgliches Frühableben wird gefördert und vielleicht auch gefordert", fürchtet Herrmann.

Rainer Becker

Auch Rainer Becker, Dekan der Region Lahr im evangelischen Kirchenbezirk Ortenau, fürchtet, dass die Zulassung organisierter Angebote der Selbsttötung alte oder kranke Menschen auf subtile Weise unter Druck setzen kann, von derartigen Angeboten Gebrauch zu machen. "Je selbstverständlicher und zugänglicher Optionen der Hilfe zur Selbsttötung werden, desto größer ist die Gefahr, dass sich Menschen in einer extrem belastenden Lebenssituation unter Druck gesetzt sehen, davon Gebrauch zu machen und ihrem Leben selbst ein Ende zu bereiten", so Becker. Aus christlicher Sicht habe Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen. "Gott sagt ja zu uns Menschen und wir verantworten unser Leben vor Gott. Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich in der Art und Weise, wie wir einander Hilfe und Unterstützung sind. Daher setzen wir als Kirche unsere Bemühungen fort, Menschen am Ende ihres Lebensweges Fürsorge und Begleitung anzubieten", sagt Becker. Neben der palliativen und hospizlichen Versorgung gehöre dazu auch die Frage, wie man Menschen, die einsam sind, Hilfe anbieten und sie seelsorglich begleiten kann.

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