Aufschrei e. V.
Missbrauchsopfer in der Corona-Krise

Die Corona-Krise hat die Situation von Opfern sexueller Gewalt noch verschärft.  | Foto: Symbolbild Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes
  • Die Corona-Krise hat die Situation von Opfern sexueller Gewalt noch verschärft.
  • Foto: Symbolbild Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes
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Ortenau (ag). Mit einer bundesweiten Plakataktion „Kein Kind alleine lassen“ möchte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Johannes-Wilhelm Rörig darauf aufmerksam machen, dass es gerade während der Corona-Krise verstärkt zu sexueller Gewalt kommen kann. Der Ortenauer Verein Aufschrei e. V. unterstützt die Aktion. "Alle können sich beteiligen und auf der Homepage www.kein-kind-alleine-lassen.de entsprechende Plakate herunterladen und ausdrucken. Die Plakate richten sich direkt an Kinder und Jugendliche oder an ihre erwachsenen Unterstützungspersonen. Wenn die Plakate auch an mehreren Orten in der Ortenau hängen, dann hat das ein Wiedererkennungswert und ist ein deutliches Signal", erklärt Dagmar Stumpe-Blasel, Beraterin bei Aufschrei.

Soziale Kontrolle fehlt

Mit dem Corona-Shutdown gingen die Anfragen von Ratsuchenden bei Aufschrei zwar zurück, jedoch: "Wir gehen stark davon aus, dass das nichts mit einem verminderten Bedarf zu tun hat, sondern eher mit den erschwerten Möglichkeiten oder Bedingungen unser Angebot wahrzunehmen. Langsam steigen die Beratungsanfragen auch wieder an."
"Die Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind natürlich wichtig", betont Dagmar Stumpe-Blasel. Fehlende soziale Kontrolle und der Mangel an Möglichkeiten, sich Gewaltsituationen zu entziehen, würden aber unter Umständen die Situation für viele betroffene Frauen und Kinder verschärfen. "Nach sexuellem Missbrauch sind Kinder und Jugendliche besonders darauf angewiesen, dass ihre Signale wahrgenommen und dass sie gesehen und gehört werden und dann auch adäquat gehandelt wird", so die Diplom Sozialpädagogin. Gerade die Bereiche, in denen sonst die Möglichkeit bestehe, dass innerfamiliärer sexueller Kindesmissbrauch bemerkt werde, fielen derzeit weg. Das seien Schulen, Kitas, Tagesmütter, Sportvereine oder Vertrauenspersonen. "Auch wenn Täter ganztägig zu Hause sind, stehen betroffene Kinder, Jugendliche und Erwachsene ständig unter Kontrolle und der Kontakt zu anderen Unterstützungspersonen wird extrem erschwert", gibt Dagmar Stumpe-Blasel zu bedenken.

Auf sein Umfeld achten

Deshalb ist es laut der Sozialpädagogin jetzt ganz besonders wichtig, sensibel auf sein Umfeld zu achten, sich zu erkundigen, nachzufragen und zu signalisieren: "Du kannst Dich an mich wenden." Das könne schon als erster Schritt hilfreich sein. "Wenn eine Person einen sexuellen Missbrauch beziehungsweise sexualisierte Gewalt vermutet oder davon erfährt, ist sie möglicherweise selbst stark verunsichert, schockiert oder fühlt sich mitbetroffen. Um selbst handlungsfähig zu bleiben, ist es manchmal notwendig, sich erst einmal Unterstützung bei einer Fachberatungsstelle zu holen. Dann kann im Einzelfall genau besprochen werden, was jetzt notwendig ist und wie sie die betroffene Person weiter unterstützen kann", so Dagmar Stumpe-Blasel. "Wenn sich ein betroffenes Kind oder Erwachsene konkret anvertraut, dann ist es erst einmal wichtig, dieser zu glauben und ihr Mut zu machen, dass es Hilfe gibt. Der Schutz von betroffenen Kindern und Jugendliche steht an erster Stelle. Da dieser für außenstehende Personen schwer herzustellen ist, sollte Betroffenen mitgeteilt werden, dass sie sich nun selbst Hilfe holen müssen wie zum Beispiel bei einer Fachberatungsstelle oder beim Jugendamt." Was ist die Botschaft von Dagmar Stumpe-Blasel an Opfer sexualisierter Gewalt, die diesen Artikel jetzt möglicherweise lesen? „Du hast ein Recht auf Hilfe und Unterstützung. Bleib nicht alleine mit Deinen Gewalterfahrungen," so die Beraterin. Und weil sie weiß, dass Scham und Schuldgefühle oft verhindern, sich jemandem anvertrauen zu können, ergänzt sie: "Ihr habt keine Schuld und Ihr braucht Euch dafür nicht zu schämen."

Persönliche Beratung nach Absprache

"In unserer Beratungsstelle ist der persönliche Kontakt derzeit nur eingeschränkt und mit den Hygiene- und Abstandsregeln möglich", so die Sozialpädagogin. "Wir wissen, dass auch das eine Hürde sein kann. Dennoch ist eine wichtige Botschaft: Auch in dieser außergewöhnlichen Zeit sind wir als Beratungsstelle für Ratsuchende – sowohl für Betroffene und Unterstützungspersonen – da. Wir bieten Beratungen per Telefon, Mail und nach Absprache auch im persönlichen Kontakt an. Bei persönlichen Kontakten informieren wir die Ratsuchenden vorher genau darüber, welche Regeln oder Bedingungen gerade dafür notwendig sind." Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.aufschrei-ortenau.de, die Telefonnummer lautet 0781/31000. Zusätzlich gibt es außerdem ein bundesweites Hilfstelefon für Opfer von sexuellem Missbrauch unter der kostenfreien Nummer 0800/2255530.

Aufschrei e. V.

Aufschrei ist ein gemeinnütziger Verein gegen sexuelle Gewalt an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Offenburg in der Hindenburgstraße 28. Es ist eine Fachberatungsstelle mit derzeit drei sozialpädagogischen Fachkräften mit diversen Zusatzausbildungen und einer Verwaltungsfachkraft für den ganzen Ortenaukreis. Getragen wird der Verein von zwei Vorstandsfrauen. Bei Aufschrei finden Betroffene von sexualisierter Gewalt Unterstützungsangebote.

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