Pro & Contra Atomkraft
Laufzeit verlängern oder doch nicht?

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Ende 2022 sollte in Deutschland Schluss sein mit dem Betrieb von Atomkraftwerken. Doch seit dem Krieg in der Ukraine und der Erkenntnis, dass Deutschland in Sachen Gas von Russland abhängig ist, hat sich einiges verändert. Nicht nur Politiker fordern, dass die Laufzeit der verbliebenen drei Atomkraftwerke verlängert werden soll. 78 Prozent der Deutschen sind laut einer Spiegel-Umfrage für eine Laufzeitverlängerung bis zum Sommer 2023. Politik, Betreiber und zuständige Behörden haben unterschiedliche Meinungen – die Guller-Redaktion ebenfalls.

Pro: Matthias Kerber
Eine der wichtigsten staatlichen Aufgaben ist die Daseinsvorsorge, worunter auch die Energieversorgung fällt. Vor dem Hintergrund, dass uns die Politik in die jetzt viel diskutierten Abhängigkeiten hineinmanövriert hat, ist es jetzt ihre Pflicht, alle Ressourcen und Techniken, über die wir selbst verfügen, anzuzapfen, um die Energieversorgung so gut es geht für die kommenden Monate sicherzustellen. Und wenn das am Ende des Tages bedeutet, dass die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängert wird oder Kohlekraftwerke hochgefahren werden, dann ist das genau das, was Politik umzusetzen hat – ohne ideologische Scheuklappen und solange, bis es adäquate Alternativen gibt.

Das von den Gegnern einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ins Feld geführte Argument, dass wir kein Stromproblem, sondern ein Wärmeproblem hätten, steht die Empfehlung der Bundesregierung gegenüber, Unternehmen sollten sich mit Notstromaggregaten versorgen. Geht man in Berlin also doch von einem möglichen Stromengpass aus?

Dass Brennstäbe nicht wie Brot und Butter im Supermarkt zu kaufen sind, versteht sich von selbst, aber für ein Industrieland wie Deutschland muss es möglich sein, mit einigen Monaten Vorlaufzeit Brennstäbe zu organisieren, auch wenn dies kein Schnäppchen ist. Wer dreistellige Milliardenbeträge für Bundeswehr und Klimaschutz übrig hat, für den müssen auch neue Brennstäbe und der Weiterbetrieb der AKW drin sein. Alles andere wäre schlicht absurd!

Bis zum kommenden Winter sind es nur noch wenige Monate. Es wäre schlicht verantwortungslos, jetzt nicht alle Alternativen auszuschöpfen. Was es dazu primär braucht, ist der politische Wille – und zwar der Wille, Schaden vom deutsche Volke abzuwenden wie es im Amtseid der Bundesminister heißt.

Contra: Christina Großheim
Der Ausstieg aus der Kernenergie ist beschlossene Sache – seit elf Jahren. Die Gründe, warum diese Technik nicht weiter genutzt werden sollte, haben sich für mich nicht verändert: Sie ist nicht sicher. Das zeigt sich aktuell wieder, wenn ein ukrainisches Atomkraftwerk als Druckmittel zwischen den Kriegsparteien genutzt wird. Zugegeben, Atomkraftwerke produzieren kein klimaschädliches CO2, dafür hinterlassen sie der Welt strahlenden Restmüll, von dem wir immer noch nicht wissen, wie er in Zukunft gelagert werden kann.

Hinzu kommt: Nur sechs Prozent des Strombedarfs werden von den verbliebenen drei Meilern erzeugt. Während Gaskraftwerke auch für Fernwärme genutzt werden, erwärmen Atomkraftwerke nur Flüsse, weil deren Wasser zur Kühlung genutzt wird. Gaskraftwerke können Spitzen abdecken, AKW nicht.

Die Betreiber haben sich auf den Ausstieg eingerichtet: Es fehlen Sicherheitsüberprüfungen und vor allen Dingen Brennstäbe. Denn die haben auch eine Laufzeit und die wurde mit dem Enddatum abgeglichen. Neue Brennstäbe kauft man nicht im Baumarkt, die Herstellung dauert einige Monate – angeblich sogar bis zu zwei Jahren. Der Betrieb könnte nur gestreckt werden: Das heißt, die gleiche Menge Strom wird über einen längeren Zeitraum mit gedrosseltem Betrieb erzeugt. Übrigens, 39 Prozent des europäischen Urans stammen aus Russland und Kasachstan. Das klingt nicht nach Unabhängigkeit. Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung hält eine Laufzeitverlängerung für nicht sicher. Die Aussage beruhigt mich nicht. Und wie zuverlässig Atomenergie ist, zeigt ein Blick nach Frankreich: Da stehen die AKW derzeit still wegen Verschleißes und fehlenden Kühlwassers aufgrund der Trockenheit. Atomkraft? Nein danke.

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