Kreisverkehr-Debatte bringt Rathauschefs zum Rotieren

Geht es nach den Entscheidern, können die Mahlberger ihr Kreisel-Kunstwerk bald in der Pfeife rauchen.  | Foto: Foto: Stenzel
  • Geht es nach den Entscheidern, können die Mahlberger ihr Kreisel-Kunstwerk bald in der Pfeife rauchen.
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Ortenau. Ortstermin am Kreisverkehr: Diese Notiz steht derzeit häufiger im Terminkalender von
Franz Seiser. Der Dezernent für Technik, Bau, Gesundheit des
Landratsamtes hat in Folge des Kreiselerlasses  die Kreisverkehre in der
Ortenau auf ihre Sicherheitsdefizite zu begutachten. Nach seinen
Besuchen geht es dann meistens rund. So wie in Mahlberg, wo die
Tabakpfeife, am Ortseingang in Richtung Orschweier positioniert, nun
abgebaut werden soll.

„Circa 20 Kreisel im Ortenaukreis stehen unter Beobachtung wegen eines mittleren und hohen Risikos für
diejenigen, die unfreiwillig den direkten Weg durch den Kreisel
befahren. Für fünf bis zehn Kreisverkehre in der Ortenau bedeutet dies:
Abbau der ,starren Hindernisse‘“, so Seiser.Hintergrund: Im Nachgang zu
einem Unfall am Kreisel in Heitersheim im Jahr 2009, bei dem zwei
Menschen starben und drei schwerverletzt wurden, begann die
Landesregierung über die „starren Hindernisse“ – im Heitersheimer Fall
ein Mast – in der Kreiselmitte zu diskutieren. Dem voraus ging die
EU-Verordnung 2008/96/EG mit dem Titel „Sicherheitsmanagement für die
Straßenverkehrsinfrastruktur“. Diese dient dem im „Weißbuch Verkehr“ der
Europäischen Union formulierten Ziel, dass bis zum Jahr 2050 die Zahl
der Verkehrstoten auf Europas Straßen null betragen soll. „Vision Zero“
nennt die EU dieses hehre Ziel. Um es zu erreichen, zählt die Verordnung
bei den potenziellen Abhilfemaßnahmen auch die „Beseitigung von neben
der Straße befindlichen feststehenden Hindernissen“ auf, so kann man auf
der Homepage des Verkehrsministeriums lesen. Mahlbergs Bürgermeister
Dietmar Benz zu „Vision Zero“: „Dieses Ziel mag zwar löblich, aber
keinesfalls realistisch sein. Die meisten Unfälle sind dem menschlichen
Fehlverhalten geschuldet. Insofern müsste der Hebel beim menschlichen
Fehlverhalten angesetzt werden und nicht bei der technischen Ausstattung
der Straßen oder der Begleitflächen.“ Im November 2011 folgte dann der
Kreiselerlass, der die Neugestaltung und den Bestand der Kreisverkehre
nach der Maßgabe „Fehlerverzeihender Straßenbau“ neuregelte, so
Ministeriumssprecherin Julia Pieper. Schon damals wurden
Sicherheitsaudits durchgeführt. Einzig aber Kreisel auf Landesstraßen
und an Ortsrandlagen – vor dem Ortsschild – wurden untersucht. Im
Februar dieses Jahres gab Verkehrsminister Winfried Hermann „Ergänzende
Hinweise“ heraus. Darin gibt der Minister die Empfehlung an die Stadt-
und Landkreise, bei Kreisverkehren, die sich auf Straßen in eigener
Zuständigkeit befinden, in gleicher Weise vorzugehen.

In der Ortenau rumort es deshalb. Ringsheim ist gleich mit zwei Kreiseln
betroffen, aber auch Kippenheim, Ettenheim und eben Mahlberg drohen
Abbaubescheide aus dem Landratsamt. Dabei liegen die drei letztgenannten
Kreisel alle innerorts.„Ich kann die Argumentation nicht
nachvollziehen, der Kreisverkehr wurde von sämtlichen Behörden genehmigt
und die Skulptur als verkehrssicher eingestuft. Daher ist diese
Kehrtwende der Regierung nicht zu verstehen. Weiter liegt unser
Kreisverkehr offiziell im Ort“, empört sich Kippenheims Bürgermeister
Matthias Gutbrod. Für den Kippenheimer wie auch einige andere
Kreisverkehre bestünde auch die Möglichkeit, einen Verkehrsgutachter zu
bestellen und im Nachgang den Kreisel so zu entschärfen, dass ein Abbau
verhindert werden könne, erklärt Seiser. Dazu Ringsheims Bürgermeister
Heinrich Dixa: „Ich sehe das sehr kritisch. Welcher Gutachter wird
,seinen Kopf‘ dafür hinhalten, dass gefährlich eingestufte Gegenstände
doch auf dem Kreisel verbleiben können. Ich kann mir das nicht
vorstellen. Hier wird der Versuch unternommen, die Probleme, die das
Landratsamt sicherlich mit den Anordnungen hat, auf Dritte abzuwälzen.“

„Grundsätzlich erscheint es mir mittlerweile problematisch, dass jedweder Unfall,
egal, ob beim Joggen im Wald oder an der Schranke eines Betriebs oder
eben im Kreisverkehr zum Anlass einer generellen Regel-ung fürs ganze
Land genommen wird. Es ist nicht zu verkennen, dass Unfälle sehr
tragische Schicksale erzeugen können. Wir werden es aber nicht schaffen,
jedwede Konstellation mit Sicherungsmaßnahmen zu verhindern“, zeigt
sich Ettenheims Bürgermeister Bruno Metz wenig überzeugt von den Zielen
der grün-roten Regierung, die Vision Zero in den Koalitionsvertrag
aufgenommen hat. Sein Mahlberger Kollege, Dietmar Benz gibt zu Bedenken:
„Sollte ein Autofahrer mit 120 Stundenkilometern von Orschweier kommend
die angeordnete Geschwindigkeit missachten und die Fahrt an der Pfeife
enden, so ist dies immer noch besser, als wenn dieses Fahrzeug
ungebremst über den Kreisverkehr in den Gegenverkehr oder in
unbeteiligte Fußgänger oder Radfahrer rast.“

194 Unfälle in Kreiseln gab es 2011 in Baden-Württemberg, bei denen der Aufprall auf
ein Hindernis im Spiel war, so das Verkehrsministerium.
Vergleichsstatistiken gebe es keine. Die Diskussion ist eröffnet. Noch
haben die meisten Gemeinderäte Sitzungspause und eine schriftliche
Entscheidung liegt auch noch nicht vor. Es darf also debattiert werden.

Autor: Matthias Stenzel

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