Stadt Kehl reagiert auf Korruptionsurteil
Aufarbeitungsprozess im Rathaus

Foto: rek

Kehl Auf die Verurteilung des früheren Ordnungsamtsleiters  wegen Bestechlichkeit und der Annahme von Vorteilen reagiert die Stadt Kehl mit einer Presseerklärung. Darin erklärt sie aus ihrer Sicht die Hintergründe und die Konsequenzen rund um die Erteilung von Konzessionen. Die Mitteilung im Wortlaut:

Rückblick

Seit dem 30. Juni 2017 benötigen Spielhallen eine Erlaubnis nach dem Landesglücksspielgesetz. Die früher nach der Gewerbeordnung (also einem Bundesgesetz) erteilten Erlaubnisse wurden mit diesem Tag unwirksam. Dies war eine Folge der Föderalismusreform; die Länder hatten sich zuvor im Glücksspielstaatsvertrag von 2011 auf gemeinsame Grundsätze verständigt.

Aufgrund einer politischen Entscheidung wurde, entgegen der neuen gesetzlichen Regelung, für alle in Kehl vorhandenen Spielhallen die Erlaubnis für den weiteren Betrieb erteilt und bis zum 30. Juni 2021 befristet. Der Entscheidung lagen damals zwei Hauptsorgen zugrunde: Zum einen fürchteten Oberbürgermeister und Gemeinderat Schadensersatzansprüche in beträchtlicher Höhe für den Fall, dass Schließungen vor Gericht erfolgreich angefochten würden; zum anderen rechnete man mit einer kaum zu bewältigenden Prozessflut. Darüber hinaus ging man in Kehl von einer Verlagerung der Spielautomaten von Spielhallen in Gaststätten aus, die für die Anwohner eine deutlich höhere Belastung darstellen als im Gewerbegebiet angesiedelte Spielhallen.

Rückblickend war – nach damaligem Kenntnisstand – ab Februar 2020 klar: Die Erlaubnisse hätten – von einigen Härtefällen abgesehen – nicht mehr erteilt werden dürfen. Dass es dennoch bis Mai 2021 dauerte, bis auf Verlangen und in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Regierungspräsidium als Fachaufsichtsbehörde die Betreiber der Spielhallen angehört und die ausstehenden Härtefallentscheidungen getroffen wurden, lag an der Langwierigkeit des Verwaltungsverfahrens: Die erteilten Erlaubnisse mussten nach Anhörung der Betroffenen zunächst einzeln widerrufen werden.

Sachstand zum 30. Juni 2021

Von 28 Spielhallen in Kehl hatten zu diesem Zeitpunkt bereits drei eine weit über den 30. Juni 2021 hinaus reichende, rechtlich korrekte Spielhallenerlaubnis erhalten, weil sie alle Voraussetzungen des Landesglücksspielgesetzes erfüllten.

Alle anderen Spielhallenbetreiber konnten die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis ab dem 1. Juli 2021 beantragen und machten von dieser Möglichkeit bis auf wenigen Ausnahmen Gebrauch. Für den leitenden Angestellten galt es nun, diese Anträge zu prüfen und zu entscheiden, welche der Spielhallen unter Berücksichtigung der Abstandsregelungen (500 Meter Luftlinie untereinander, gemessen von Eingangstür zu Eingangstür) eine neue Erlaubnis erhalten konnten.

Bei der Abwägung spielten darüber hinaus folgende im Gesetz vorgegebene Gesichtspunkte eine Rolle: Suchtbekämpfung, Kanalisierung des natürlichen Spieltriebs, Entgegenwirkung der Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkte, Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes, Schutz vor betrügerischen Machenschaften sowie der mit dem Glücksspiel verbundenen Folge- und Begleitkriminalität. Weitere Kriterien sind: Spielerschutz, die Qualität der Betriebsführung, die Umgebung der Spielhalle. Darüber hinaus werden auch bisher festgestellte Verstöße berücksichtigt.

Gegenstand des Gerichtsverfahrens

Im Zuge dieser Auswahlentscheidung haben mehrere Spielhallenbetreiber insgesamt drei Betriebserlaubnisse erhalten. Die Frage, ob diese Entscheidungen nach Recht und Gesetz getroffen worden sind, war Gegenstand des Verfahrens vor dem Offenburger Landgericht gegen die Führungskraft der Stadt Kehl und einen Spielhallenbetreiber.

Bereits unmittelbar nach der Auswahlentscheidung hatte ein konkurrierender Spielhallenbetreiber Widerspruch gegen die Auswahl zugunsten eines Konkurrenten eingelegt. Die Verwaltung hat diese Auswahlentscheidung aufgrund des Widerspruchs revidiert. Hierüber ist ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Es ist nicht klar, ob die ursprüngliche Entscheidung manipuliert oder nur aufgrund eines Verfahrensversehens oder einer vertretbaren, letztlich aber unzutreffenden Bewertung eines Kriteriums fehlerhaft war. Der ursprünglich begünstigte Spielhallenbetreiber besteht weiterhin darauf, die Erlaubnis zu Recht erhalten zu haben.

Aufarbeitungsprozess innerhalb des Rathauses

Direkt nach der Verhaftung des Mitarbeiters hat im Rathaus die Aufarbeitung der Vorfälle begonnen: Sämtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit Erlaubnissen für Spielhallen wurden überprüft. Daraus ergibt sich folgende Situation: Derzeit sind im gesamten Stadtgebiet zehn Spielhallen geöffnet – drei, die bereits vor dem 30. Juni 2017 unzweifelhaft zu Recht eine langfristige Erlaubnis nach dem neuen Landesglücksspielgesetz erhalten hatten, drei, die im Rahmen der Auswahlentscheidung eine Erlaubnis erhielten und vier weitere Spielhallen, die aufgrund laufender Rechtsverfahren noch geöffnet sind, obwohl die Erlaubnisse abgelaufen sind und nicht wiedererteilt wurden (drei Fälle, die dasselbe Unternehmen betreffen), oder weil sie im Widerspruchsverfahren entzogen wurden (ein Fall). Es wird erwartet, dass die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg nach Abschluss des Strafverfahrens zügig Termine zur mündlichen Verhandlung bestimmen wird.

Verfahrensweise

Grundlage der Erteilung der Erlaubnisse ist das aufgrund des Zweiten Glückspieländerungsstaatsvertrages ergangene Landesglückspielgesetz (LGlüG). Die Umsetzung dieser gesetzlichen Regelungen ist Pflichtaufgabe nach Weisung, weswegen sich für den Kehler Gemeinderat zu keinem Zeitpunkt eine Entscheidungsbefugnis ergeben hat. Gleichwohl hat der Oberbürgermeister den Gemeinderat in der öffentlichen Sitzung am 19. Juli 2017 über die Entscheidung informiert, dass allen Spielhallen bis zum 30. Juni 2021 aus den oben genannten Gründen eine Betriebserlaubnis erteilt wird. Darüber berichtete seinerzeit auch die Presse.

Anti-Korruptionsregelungen bei der Stadt

Bei der Stadt Kehl gibt es seit 1999 die Dienstanweisung zur Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption, die für jeden Mitarbeitenden verbindlich ist. Diese hat auch der jetzt verurteilte leitende Angestellte ausgehändigt bekommen und den Erhalt mit seiner Unterschrift bestätigt. Diese Dienstanweisung hat zum einen das Ziel, die Stadt, besonders ihr Vermögen und ihr Ansehen, zu schützen und Rechtsstaatlichkeit und Gleichbehandlung zu gewährleisten. Zum anderen soll sie die Mitarbeitenden selbst vor Situationen bewahren, in denen sie der Gefahr von Manipulation ausgesetzt sein könnten und sie vor ungerechtfertigten Verdächtigungen schützen. Alle Führungskräfte und alle Mitarbeitenden sind gehalten, die Problematik zu thematisieren, um Schwachstellen und problematische Situationen zu erkennen und, wenn möglich, zu vermeiden und Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Auf Transparenz der Verwaltungsvorgänge und das Vier-Augen-Prinzip wird dabei großen Wert gelegt.

In einer Anlage zur Dienstanweisung sind klare Grenzen definiert, welche Aufmerksamkeiten ausnahmsweise angenommen werden dürfen, weil sie geringwertig sind: Massenartikel wie Kugelschreiber, Schreibblocks einfacher Art, Kalender oder auch die Tasse Kaffee bei einer Besprechung. Aber grundsätzlich gilt: Kriminelle Energie – und hier vor allem Korruption – ist weder vorhersehbar noch gibt es Verfahren, welche diese zuverlässig verhindern können. Gegen kriminelle Energie hilft auch keine Schulung.

Link zum Urteil

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