Fragen an die Kandidaten von CDU, Grüne, SPD und FDP
(1) Wie ist Ihre Einstellung zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)?

Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) soll Barrieren weiter abbauen. Befürchtet wird ein Abbau beim Verbraucherschutz zu Gunsten der Unternehmen. | Foto: Petra Dirscherl/pixelio.de
  • Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) soll Barrieren weiter abbauen. Befürchtet wird ein Abbau beim Verbraucherschutz zu Gunsten der Unternehmen.
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Marion Gentges (CDU), Wahlkreis 50, Lahr
Die USA sind der wichtigste Handelspartner von Baden-Württemberg. Obwohl
der Handel mit Waren sowohl von der EU als auch von den USA bereits
deutlich liberalisiert wurde, bestehen noch immer Spitzenzollsätze. Es
könnten beträchtliche Einsparungen erzielt werden, wenn sich die
Doppelarbeit bei Regulierungsverfahren und Anforderungen verringern
ließe und die Märkte für Dienstleistungen, öffentliche Aufträge und
Investitionen weiter geöffnet würden. TTIP würde nach der
Folgenabschätzung des unabhängigen Center for Economic and Policy
Research (CEPR) zu mehr wirtschaftlichem Wachstum und zum Abbau
bürokratischer Hürden führen. Deshalb spreche ich mich für das
Freihandelsabkommen zwischen EU und USA aus. Transparenz und
Rechtsstaatlichkeit müssen dabei gewährleistet sein. Wir brauchen einen
klar geregelten Rahmen für Handel und Investitionen und bestehen auf der
Einhaltung des inländischen Datenschutz-, Umwelt-, Arbeits- und
Verbraucherrechts und die vollständige Anerkennung und Durchsetzung
geografischer Angaben.

Sandra Boser (Grüne), Wahlkreis 50, Lahr
Freier Handel ja, aber nicht auf Kosten der Freiheit. Die fehlende Transparenz
bei den Verhandlungen zu TTIP und die Möglichkeit von
Investor-Staats-Klagen an Schiedsgerichten sehe ich sehr kritisch. Für
mich ist es wichtig, dass unsere Standards in den Bereichen
Umweltschutz, Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und
Datenschutz durch ein Freihandelsabkommen nicht berührt oder
eingeschränkt werden. Es kann nicht sein, dass Regulierungen, die wir
auf kommunaler, staatlicher oder europäischer Ebene gefunden haben,
dadurch ausgehöhlt werden könnten. Dazu gehört auch der Umgang mit
Gentechnik, der in den USA und in Europa sehr unterschiedlich sind. Es
muss auch zukünftig möglich sein, sich gegen den Anbau von Gentechnik in
den Ländern zu entscheiden, ohne befürchten zu müssen, dafür verklagt
zu werden. Bisher konnten diese Bedenken nicht ausgeräumt werden und
daher muss, meiner Ansicht nach, TTIP neu verhandelt werden. Es muss
dabei auch geprüft werden, ob es nicht andere Wege gibt, wie bestehende
Handelshemmnisse abgebaut werden können.

Karl-Rainer Kopf (SPD), Wahlkreis 50, Lahr
Die exportorientierte Wirtschaft und der Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg
können von TTIP profitieren, wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen
setzen. Deshalb will ich ein Abkommen mit den USA, das den Bürgern
nutzt. Wichtig ist: Freihandel ist kein Selbstzweck! Arbeits- und
Verbraucherschutzbestimmungen sowie Umweltschutzstandards dürfen durch
TTIP nicht abgesenkt werden. Leistungen der Daseinsvorsorge wie etwa die
Wasserversorgung müssen außen vor bleiben. Das Recht des Gesetzgebers,
im Gemeinwohlinteresse neue Regelungen zu schaffen, darf nicht in Frage
gestellt werden. Private Investor-Staat-Schiedsverfahren lehne ich ab.
Ich begrüße, dass ein TTIP-Beirat eingerichtet wurde, der die
Landesregierung zu dem geplanten Freihandelsabkommen berät. Hier können
durch Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, Kultur, Kirchen,
Landwirtschaft, Umwelt- und Verbraucherschutz, Justiz und Landtag alle
Auswirkungen umfassend beleuchtet werden, damit die Landesregierung im
weiteren Verhandlungsprozess eine Position findet, die die Vorteile
sichert, Nachteile aber verhindert.

Matthias Kappis (FDP), Wahlkreis 50, Lahr
Aufgrund des einfacheren Zugangs zum amerikanischen Markt sehe ich TTIP als
Chance für Baden-Württemberg und vor allem die Ortenau, die durch ihre
mittelständischen und international agierenden Betriebe geprägt ist.
Aber TTIP wird auf europäischer Ebene und nicht im Landtag von
Baden-Württemberg entschieden.

Volker Schebesta (CDU), Wahlkreis 51, Offenburg 
Gerade für unsere mittelständische Wirtschaft ist der Abbau von Zöllen und die
Reduzierung von rechtlichen und technischen Hemmnissen wichtig. Darum
geht es bei TTIP – wie bei vielen anderen schon geltenden
Handelsabkommen. In den Verhandlungen muss größtmögliche Transparenz
bestehen. Deshalb ist richtig, dass die Europäische Kommission das
Verhandlungsmandat sowie Informationen bis hin zu
Textvorschlägen zugänglich gemacht hat. Der Text des Abkommens wird vor
der Beratung im Europäischen Parlament veröffentlicht. Die Forderung
nach Transparenz gilt auch für das Schiedsgerichtswesen. Über TTIP
hinaus hat das Europäische Parlament dazu aufgefordert, dass ein neues
Verfahren für Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten gelten
soll, in dem öffentlich verhandelt wird, Berufsrichter entscheiden und
eine Berufungsinstanz vorgesehen ist. Die hohen Standards in der EU im
Verbraucherschutz, bei der Lebensmittelsicherheit, im Umwelt- und
Gesundheitsschutz dürfen durch TTIP nicht beeinträchtigt werden.Dann
profitiert unsere Wirtschaft ohne negative Auswirkungen für die
Menschen.

Thomas Marwein (Grüne), Wahlkreis 51, Offenburg 
Wir brauchen faire Regeln für internationalen Handel. Die Abkommen müssen
transparent verhandelt werden. EU-Standards beim Umweltschutz,
Gesundheit und Soziales, Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und
Datenschutz muss unangetastet bleiben. Die Qualität unserer Lebensmittel
darf nicht verringert werden. Die Abkommen dürfen keinesfalls
Gentechnik in Baden-Württemberg einführen. Private Schiedsgerichte sehen
wir sehr kritisch. Wir halten sie für grundfalsch. Deshalb fordern wir,
dass staatliche Gerichte für die Streitbeilegung zwischen Investoren
und Staaten zuständig sind und ausländischen Investoren keine
Sonderrechte eingeräumt werden. Die öffentliche Daseinsvorsorge wie z.B.
Trinkwasser, Öffentlicher Nahverkehr oder die Gesundheitsversorgung
muss aus den TTIP-Verhandlungen ausgenommen werden. Dies gilt auch für
die sensiblen Bereiche Kulturgüter, Verbraucherschutz und
Landwirtschaft. Die Grün-geführte Landesregierung hat einen TTIP-Beirat
eingerichtet, der einen Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und
Zivilgesellschaft ermöglicht.

Daniel Kirchner (SPD), Wahlkreis 51, Offenburg 
Ich stehe dem Vertragswerk sehr kritisch gegenüber. Wenn es darum geht, ein
Abkommen zwischen der EU und den USA zu schaffen, welches der
Wirtschaft auf beiden Seiten hilft, bin ich für vieles offen. Aber ein
Abkommen, das unsere Rechts- und Sozialstandards gefährdet, Städte und
Gemeinden zum Spielball von Konzernen machen könnte und unsere Maßstäbe
in Landwirtschaft wie Naturschutz bedroht, kann für uns keine Option
sein. TTIP wurde viel zu lange über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger
in der Europäischen Union hinweg verhandelt. Es ist ein Beispiel dafür,
dass wir in der EU mehr Demokratie, sprich Rechte des Parlaments,
brauchen. Die Kommission darf nicht auf dem Umweg von internationalen
Verträgen direkten Einfluss auf die Gesetze und Rechtsstandards der EU
und seiner Mitgliedsländer nehmen. Gesetzgeber dürfen nur die Parlamente
sein! Dass es jetzt endlich ein Einsichtsrecht der Abgeordneten in
Berlin gibt und Deutschland auch andere Länder dazu gebracht hat,
mitreden und -abstimmen zu wollen müssen, haben wir übrigens nicht
zuletzt der SPD Bundestagsfraktion zu verdanken.

Silvano Zampolli (FDP), Wahlkreis 51, Offenburg 
Uns Bürgern wird TTIP als großer Fortschritt in den Handelsbeziehungen
zwischen den USA und der EU verkauft. Ich sage Vorsicht: Da sind große
Lobbyverbände am Werk. Durch sog. Investorenschutzklauseln und
Konzernmonopole z. B. im Lebensmittelbereich erhalten ausländische
Unternehmen eine Vorzugsstellung gegenüber nationalen Firmen.
Sondergerichte und ein Investitionsgerichtshof hebeln als Paralleljustiz
unsere ordentlichen Gerichte aus. Ausländische Konzerne können
Parlamentsentscheidungen mit Schadensersatzklagen überschütten, wenn
nationale Gesetze etwa z.B. Verbraucherschutz, Gesundheit, Umwelt, ihrer
Geschäftspolitik nicht behagen. Unsere Parlamente werden hiermit
handlungsunfähig, lahmgelegt und letztendlich zu Marionetten der
Großlobbyisten. Frau Merkel bezeichnet das als "marktkonforme
Demokratie": d.h. demokratische Formen bleiben erhalten, aber die
Parlamente sind durch Vorgaben und Klageandrohungen wie in ein Korsett
eingeschnürt. TTIP ist der Sargnagel für unsere heimischen Produkte.
Daher: Stopp TTIP!

Willi Stächele (CDU), Wahlkreis 52, Kehl
Die Veränderungen in einer globalisierten Welt machen es notwendig,dass
 demokratische Staaten mit einer offenen Gesellschaft nicht nur ihre
guten Handelsbeziehungen festigen,sondern auch teure Zölle und
bürokratische Hürden abbauen.Ein weiterer Grund für eine engere
Kooperation ist die Vereinfachung von Qualitäts- und
Sicherheitsstandards durch Angleichung unterschiedlicher Niveaus. Dies
ist für ein Land wie Deutschland,dessen Wohlstand in großen Teilen auf
seinem Export beruht und das traditionell einen starken Mittelstand hat,
von großer Bedeutung.Schließlich kann sich nicht jede Firma eine eigene
Abteilung leisten,die sich nur mit unterschiedlichen Vorschriften
verschiedener Länder beschäftigt.Natürlich werden auch künftig die
strengen EU-Vorgaben für Lebensmittel gelten. Und Schiedsverfahren
sollen nicht eingerichtet werden, um große Konzerne zu bevorzugen, sie
sollen ausländischen Investoren Sicherheit geben und vor Diskriminierung
schützen.Schiedsgerichte sollen nicht Recht sprechen.Dafür gibt es in
Europa aus gutem Grund den Europäischen Gerichtshof als höchste Instanz.

Norbert Hense (Grüne), , Wahlkreis 52, Kehl 
Ich sehe TTIP sehr skeptisch. Es geht mir jedoch nicht darum, Freihandel
grundsätzlich abzulehnen, sondern Gefahren auf unsere politischen
Strukturen entgegenzuwirken. TTIP möchte Handelshemmnisse abbauen,
definiert diese jedoch sehr weit. So könnte es ein Handelshemmnis sein,
wenn man Umweltschutz-Gesetze beschließt. Auch die Stärkung von
Arbeitnehmerrechten könnte man als Handelshemmnis auslegen. Dies würde
die politischen Möglichkeiten der Parlamente unter Umständen weit
einschränken. Die Gefahren durch die Schiedsgerichte sehe ich auch für
Baden-Württemberg gegeben. Auch bin ich in Sorge, wie große Unternehmen
auf eine Stufe mit Staaten gestellt werden. Kleine und mittlere
Unternehmen, die wir hier in der Ortenau zuhauf haben, könnten, durch
die weitere Stärkung großer, weltweiter Konzerne, aus dem Markt gedrängt
werden. Dabei sind diese jedoch Innovationstreiber der Wirtschaft und
sorgen für Arbeitsplätze und bilden junge Menschen aus. Auch Abkommen
wie TISA, die im Kern unsere Bewährte Struktur der Öffentlichen
Daseinsvorsorge angreifen, sehe ich mit großer Sorge.

Markus Sansa (SPD), Wahlkreis 52, Kehl 
Ich sehe TTIP als sehr Kritisch an! Das Vorhaben war von Anfang an zum
scheitern verurteilt. Keine Informationen an Nationalen politischen
Gremien und keine Transparenz an die Bürger der EU Mitgliedsstaaten.
Sicherlich wurden zum ersten Mal Spielregeln aufgestellt wie ein
zollfreier Handel funktionieren kann. Doch solange keine staatliche
Regulierungsbehörden (Gerichte) darüber richten dürfen ist TTIP für mich
ein no go!

Klaus Brodbeck (FDP), Wahlkreis 52, Kehl 
„Fürchte Dich nicht vor Veränderung, eher vor Stillstand“. Dieses Motto habe ich
privat und beruflich erfolgreich praktiziert. Es gilt auch für meine
Position zur Planung des „Transatlantischen Freihandelsabkommens“.
Nordamerika ist der größte Handelspartner Baden-Württembergs (2014: 21,2
Mrd. Euro). Ich stehe hinter TTIP, weil liberale Kernpunkte die
logische Folge sind: Abbau von Handelsschranken, Belebung des
Wirtschaftswachstums, Senkung der Arbeitslosigkeit in den
Teilnehmerstaaten USA und der EU. TTIP bedeutet auch für
Baden-Württemberg die Chance, mehr als bisher mit alten und neuen
Produkten auf den transatlantischen Markt zu gehen. Ich denke dabei in
unserer Region an Waren aus Landwirtschaft, Weinbau und innovativen
Industrieprodukten, die weltweit einen guten Klang haben. Ich teile die
Kritik an der mangelnden Transparenz im Verhandlungsverfahren und gehe
davon aus, dass diese noch vor Vertragsabschluss hergestellt wird.
Keinesfalls darf ein solches Abkommen im Blindflug abgeschlossen werden.

Autor: st

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