Tödliche Schüsse an Offenburger Schule
Neuester Stand der Ermittlungen

Pressekonferenz der SoKo Mühlbach am Dienstag: Oberstaatsanwalt Martin Seifert (v. l.), Leitender Kriminaldirektor Raoul Hackenjos, Polizeipräsident Jürgen Rieger, Leitende Oberstaatsanwältin Iris Janke, Referatsleiter Dr. Werner Nagel und Opferbeauftragter Alexande Schwarz | Foto: gro
  • Pressekonferenz der SoKo Mühlbach am Dienstag: Oberstaatsanwalt Martin Seifert (v. l.), Leitender Kriminaldirektor Raoul Hackenjos, Polizeipräsident Jürgen Rieger, Leitende Oberstaatsanwältin Iris Janke, Referatsleiter Dr. Werner Nagel und Opferbeauftragter Alexande Schwarz
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Offenburg (gro) Die tödlichen Schüsse auf einen 15-Jährigen in der Waldbachschule in Offenburg (wir berichteten) bewegen die Menschen. Am Dienstag, 14. November, teilten die Staatsanwaltschaft und das Polizeipräsidium Offenburg den aktuellen Stand der Ermittlungen mit. 

Polizeipräsident Jürgen Rieger betonte, dass dies kein einfacher Moment sei. Das Mitgefühl liege bei der Familie des Opfers, aber auch den Schülern, die dabei gewesen seien. "Es war ein einschneidendes Ereignis, von dem Narben zurückbleiben werden," so der Polizeichef. Von Beginn an habe man sich um eine offene Informationspolitik bemüht. "Nach den Ermittlungen liegen nun weitere gesicherte Erkenntnisse vor, die wir den Spekulationen entgegensetzen", so Rieger. Es gelte über 100.000 Vorgänge in den sozialen Medien auszuwerten. Rieger rügte die "grenzwertigen Kommentare" sowohl zu dem Opfer als auch dem Täter in den sozialen Medien.

Der Einsatz

Der Polizeipräsident zeigte noch einmal den Einsatzablauf auf. Nach dem ersten Notruf sei das Gebiet abgesperrt worden, ein Team des Polizeipräsidiums sei in entsprechender Schutzkleidung in die Schule gegangen und hätte den mutmaßlichen Täter festgenommen. Das Ganze sei innerhalb der ersten 15 Minuten passiert. "Die schnelle Festnahme verdanken wir dem glücklichen Umstand, dass ein Vater eines unbeteiligten Kindes zufällig auf den Täter getroffen ist und diesen zum Ablegen der Waffe bewegen konnte. Das war in diesem Fall das Richtige, aber ich kann es nicht empfehlen", mahnte Jürgen Rieger. Danach sei die Schule Zimmer für Zimmer durchsucht worden, um sicherzustellen, dass es keine weiteren Täter gebe. Nachdem das Gebäude gesichert gewesen sei, seien Lehrer und Schüler nach und nach aus der Schule in die Nordwesthalle gebracht worden. Dort seien die Personalien aufgenommen worden, danach hätten die Schüler zu ihren besorgten Eltern gedurft.

Die Festnahme

Iris Janke, Leitende Oberstaatsanwältin, schilderte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft: Um 12.30 Uhr sei diese informiert worden, dass ein Schüler von einem Mitschüler in den Kopf geschossen und schwer verletzt worden sei. Der Anfangsverdacht sei Totschlag gewesen, zeitgleich habe sie einen Durchsuchungsantrag für die Wohnung der Eltern des Tatverdächtigen gestellt. Dort sei umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden. "Es handelt sich um ein Jugendstrafverfahren, für das bestimmte, strenge Regeln gelten", so die Leitende Oberstaatsanwältin. Dazu gehöre, dass keine Angaben zu dem Tatverdächtigen oder dem Opfer öffentlich gemacht würden. Eine spätere Gerichtsverhandlung werde ebenfalls nicht öffentlich abgehalten werden. "Der Tatverdächtige hat einen Pflichtverteidiger bekommen, er hat sich bei der Verhaftung nicht zur Tat eingelassen. Er wurde in eine Justizvollzugsanstalt für Jugendliche eingeliefert." Grundsätzlich gelte, dass ein Gutachter feststellen müsse, ob der Betroffene - auch wenn er ab 14 Jahren strafmündig sei - die Verantwortungsreife für die Tat habe. Für Jugendliche gelte eine Höchststrafdauer von zehn Jahren, es sei möglich eine Sicherungsverwahrung als Vorbehalt auszusprechen. Die Tat werde als Totschlag eingestuft, weil bis jetzt noch keine Beweise für den Tatvorwurf Mord vorlägen. 

Die Ermittlungen

Raoul Hackenjos, Leitender Kriminaldirektor, fasst den Stand der Ermittlungen der SoKo Mühlbach zusammen. Der Jugendliche sei am 8. November für den 9. November krank gemeldet worden. Am Donnerstag, 9. November, sei der Tatverdächtige in die Schule und in sein Klassenzimmer gegangen und habe seinen Mitschüler zwei Mal in den Kopf geschossen. Neun Schüler und zwei Lehrer hätten sich zu diesem Zeitpunkt in dem Raum aufgehalten. Die Schüsse seien mit einer Handfeuerwaffe, einer halbautomatischen Baretta Modell 7 Kaliber 7,65 Millimeter, abgefeuert worden. Danach habe er einen selbstgebastelten Brandsatz, einen Molotowcocktail, aus der Tasche geholt und versucht, diesen anzuzünden. Dies sei gescheitert. Daraufhin habe er das Klassenzimmer verlassen. Im Flur sei er einer weiteren Lehrerin begegnet, habe diese auf den Kopf geschlagen und leicht verletzt. Die Lehrerin sei zurück in ihr Klassenzimmer und habe dieses abgeschlossen. Es sei noch mindestens ein Schuss im Flur abgegeben worden. Den Brandsatz habe der Tatverdächtige in Richtung des Schulleiters geworfen. Nach der Festnahme habe die Polizei festgestellt, dass der Jugendliche noch weitere 50, nicht abgefeuerte Patronen mit sich führte. Am Abend sei die SoKo Mühlbach eingesetzt worden, diese habe bislang 40 Vernehmungen durchgeführt. "Wir haben eine Vielzahl von digitalen Spurenträgern wie Mobiletelefone, die sukzessive  ausgewertet werden", so Hackenjos.

Oberstaatsanwalt Martin Seifert: "Der 15-Jährige wird derzeit von einem jugendpsychologischen Sachverständigen auf seine strafrechtliche Verantwortlichkeit untersucht. Gegen die Eltern wird wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt, da sie ihrer Sorgfaltspflicht sowohl in Bezug auf die Verwahrung der Waffe als auch auf den Jugendlichen nicht nachgekommen sind." Die Eltern hätten keine Genehmigung für den Besitz der Waffe. Es würden außerdem weitere Ermittlungen darüber laufen, ob es Mitwisser der Tat gegeben habe. Auf Nachfrage erläuterte Seifert, dass bei der Durchsuchung handschriftliche Unterlagen und Skizzen für die Tat gefunden worden seien. 

Psychologische Unterstützung

Dr. Werner Nagel, Referatsleiter des Regierungspräsidiums Freiburg, lobte das vorbildliche und umsichtige Handeln aller Beteiligten. Am Freitag, 10. November, sei die Waldbachschule geschlossen gewesen, am Montag sei sie wieder geöffnet worden. Es laufe allerdings kein normaler Unterricht, sondern die Schüler seien von den Lehrern empfangen und in den Klassen durch Schulpsychologen betreut worden. Im Laufe der Woche würde nach und nach wieder mit dem Unterricht begonnen. 

"Wir können die Tat nicht ungeschehen machen, aber wir bemühen uns, die Folgen nach Möglichkeit abzumildern", erklärte Klaus Schwarz, Opferbeauftragter des Landes Baden-Württemberg. Dabei gehe es sowohl um therapeutische als auch finanzielle Unterstützung.

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